Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

15. Regenbogenball wieder im Parkhotel Schönbrunn: Zuhause ist’s am schönsten

Zu Beginn dieses Beitrags einige Fotogalerien zum Ball, weiter unten ein Auszug aus der Reportage von Martin Weber, die in der nächste Woche erscheinenden Ausgabe der LAMBDA-Nachrichten veröffentlicht wird.

www.artista.at (Fotos: Jana Madzigon)
Die Presse – Artikel + Galerie
www.european-news-agency.de
www.eventshoot.net (Fotos: Andreas Lingl)
Fotoma (Fotos: Thomas Koller)
leadersnet.at
oe24.at/society24 (Fotos: Katharina Schiffl)
www.party.at (Fotos: Simona Katzlinger)
picpro.at (Fotos: Johann Sauerstein)
www.vienna.at

Offizielles Foto-Bestellservice:
www.foto-sulzer.at (rechts oben auf „Veranstaltungsarchiv“ klicken, Passwort RB11022012)

 

„Es ist großartig und viel besser als die Hofburg.“ Egal, ob man fragte oder nicht, diese Antwort hörte man am 11. Februar wohl am häufigsten in der regenbogenfarbenen Ballnacht, die nach einem Gastspiel in den nobleren Räumlichkeiten nach einigem Hin und Her wieder im Parkhotel Schönbrunn vonstatten ging. Zu groß seien die Räumlichkeiten in der Hofburg gewesen, die Leute hätten sich verloren, die teuren Karten hätten viele BesucherInnen abgeschreckt. Jetzt ist die Community wieder dort, wo sie sich wohlfühlt, so der Tenor.

Und auch Christian Högl, Obmann der HOSI Wien, deren bewährtes Ballorganisationsteam das Ereignis wieder auf die Beine gestellt hat, bedauert es nicht, dass die Entscheidung letztendlich zugunsten des Parkhotels revidiert wurde: „Die Hofburg hatte natürlich eine bessere Außenwirkung, aber eigentlich ist es wichtiger, dass sich die Community wohlfühlt – und dass viele zum Ball kommen.“ Und das taten sie. Die Gäste erfreuten sich an den erweiterten und renovierten Räumlichkeiten. Die bewährte Moderatorin Lucy McEvil räumte großzügig ein, dass das Hotel extra für den Regenbogenball hergerichtet worden sei, was man gerne glauben würde, und verkniff sich auch einen kleinen Seitenhieb nicht: „Wenn rechte Burschenschafter in der Hofburg feiern, ist es doch nicht so ein exklusiver Ort.“ Auch sonst gönnte sie – gewohnt charmant und nonchalant – „den Rülpsern aus dem katholischen Eck und der Solarium- und Zahntechnikabteilung“ nur ein paar Worte und begrüßte statt dessen die Ehrengäste, die hauptsächlich aus den Reihen der SPÖ und der Grünen stammten. Dabei fiel auf, dass Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely und Staatssekretär Andreas Schieder – Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Stadträtin Sandra Frauenberger hatten grippebedingt abgesagt – weniger herzlichen begrüßt wurden als die grüne Politprominenz mit Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und Europaabgeordneter Ulrike Lunacek an der Spitze. Und auf jeden Fall mehr Applaus hätte sich wohl die Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer Brigitte Jank verdient, eine der wenigen ÖVP-VertreterInnen, die es je auf einen Regenbogenball geschafft haben. Lilo Wanders und „die unverwüstliche“ Jazz-Gitti passten natürlich perfekt auf den Ball.

Immer dieselben Gesichter? Immer dieselben Parteien? „Es ist eine Gratwanderung“, gibt Christian Högl zu bedenken, „einerseits wäre es toll, alle Parteien vertreten zu haben, andererseits würden einige den Ball dann als Feigenblatt benutzen, um eine nicht vorhandene Liberalität vorzutäuschen.“ Sebastian Kurz aber sei eingeladen worden und willkommen gewesen, weile aber gerade nicht in Wien. Vielleicht das nächste Mal. Für heuer reichen die bekannten Gesichter, die schließlich auch zum Gefühl der Vertrautheit beitragen.

Und dieses stand wohl im Zentrum dieses Balls, schwang überall mit und trug wesentlich zum Erfolg bei: Es war eher das Bekannte und Bewährte, das die Gäste zu Begeisterungsstürmen hinriss. Das begann bei der Eröffnung durch die TänzerInnen des Regenbogen-Ballkomitees, angeleitet von Tanzmeister Wolfgang Stanek, die in Schwarz und Weiß und mit Sträußchen in den Händen zu den Walzerklängen der bewährten Damenkapelle Johann Strauß zeigten, was sie gelernt hatten. Der Spaß war ihnen dabei ins Gesicht geschrieben, und gerade, dass nicht jeder Schritt perfekt saß, machte den Auftritt perfekt. Ihnen folgten, ebenfalls eine Tradition, Les Schuh Schuh, diesmal ganz auf Spanisch inklusive einem steppenden Stier, der zwischendurch an den DebütantInnensträußen knabberte. Die rot befächerten Señoras und ihre streng gegelten Toreros tanzten währenddessen schwungvoll zu verzerrten Habaneras ebenso wie zu Schlagern von Mireille Mathieu. Und schon stellte Christian Högl das Organisationsteam und die Sponsoren vor, bevor nach fast einer Stunde Eröffnung das Signal „Alles Walzer!“ ertönte.

Um dieser Eröffnung folgen zu können, galt es natürlich wie immer, einen guten Platz zu ergattern. An einigen Tischen wurden Fremdlinge gleich weggestampert („Darf ich bitte Ihre Platzkarte sehen?“), Gäste mit mehr Ballerfahrung verfolgten eine klare Taktik: „Wenn wir gleich beim Einzug an die DebütantInnen anschließen, kriegen wir einen Platz auf der Stiege.“ – Eine Strategie, die übrigens aufging. Es war eben eng im Parkhotel, zwischendurch hörte man die Jazz-Gitti stöhnen: „Puh, ist es heiß hier heroben.“ Aber erstens störte das nicht wirklich, und zweitens gebührt auch der neuen Lüftung ein Kompliment. Selbst beim Eröffnungswalzer auf der stark frequentierten Tanzfläche bekam man noch Luft.

Räumlichkeiten mit Charme

Danach eine kleine Promenade durch die Räumlichkeiten, die Salons, Wintergärten und Bars. Größer ist alles, weitläufiger und doch intim genug, um den eigenen Charme zu behalten. Ein Grund, aus dem man den Regenbogenball besucht, ist sicher, dass es eine Möglichkeit ist, Ex-LiebhaberInnen aus den Augenwinkeln wiederzusehen, liebe Bekannte zu treffen, die man während des Jahres immer wieder versetzt hat, und festzustellen, dass die eine und der andere auch nur so geringfügig älter geworden ist wie man selbst. „Das ist schon ein Dorf“, meint denn auch eine Ballbesucherin in schwarzem Abendkleid, die unter anderem die Frage beschäftigt, ob denn die Erlöse des Roulette-Tisches der Casinos Austria ebenfalls der HOSI Wien zugute kämen. (Ja, tun sie, denn dort wird nicht um Geld gespielt, sondern man kann Sachpreise gewinnen – und dafür spenden.)

Also grüßt man hierhin, schaut in dieser Richtung sicherheitshalber vorbei, stößt auf diesen Bekannte und jene Freundin und freut sich an der galanten Garderobe. Schwarz ist angesagt heuer, dazwischen erkennt man glitzernde Farbtupfer, wenn man auf die Tanzfläche blickt, wo sich Paare mehr oder weniger versiert zur Musik von A-Live und der Damenkapelle Johann Strauß dem Tanz hingeben. Und auch das ist eine einmalige Gelegenheit: „Möchtest du mit mir tanzen?“, fragt ein junger Mann einen anderen – und auch wenn er sich in diesem Fall eine Abfuhr holt, kann er sich doch mit einem Lächeln aus der Affäre ziehen. Bälle waren schließlich immer Gelegenheiten, eine/n Partner/in kennenzulernen und Hochzeiten anzubahnen, was ja inzwischen auch Schwulen und Lesben unter anderem Titel möglich ist.

Doch nicht alle sind zum Tanzen hier – zumindest geht es manchen nicht nur um Gesellschaftstänze. In den Nebenräumen werden „Veranstaltungen in der Veranstaltung“ geboten, wie Christian Högl es ausdrückt. Lucy McEvil etwa singt mit Dusty O und Erik Leidal im Raum „Österreich-Ungarn“ (wir sind im Parkhotel Schönbrunn!) „schamlose Lieder“ und präsentiert später Jonathan Hellyer. Der eigens aus London angereiste Vokal-Artist sorgt für Staunen und Begeisterung mit seiner humorvollen „Dame Edna Experience“, in der er nicht nur die legendäre australische Drag Queen, sondern etwa auch Barbra Streisand und Neil Diamond stimmlich perfekt inszeniert. Die Gruppe Desert Wind spielt auf und lädt ebenso zum Tanzen ein wie Resis.danse, deren Tanzparkett im Maria-Theresia-Salon angesiedelt ist. Und auch der Styling- und der Fotocorner sind wieder da. Andere wiederum zieht es mehr in die Disco. Dort ertönt – unverwüstlich – I Am What I Am, und auch die Mitternachtseinlage punktet mit schwullesbischen Evergreens: Die Rounder Girls waren nicht nur beim allerersten Regenbogenball 1998, sondern auch 2004 beim ersten von der HOSI Wien organisierten Ball mit dabei, und auch heuer reißen sie – zum dritten Mal – die Gäste wieder mit. Natürlich kann bei It’s Raining Men nichts schiefgehen – und die drei stimmgewaltigen Damen verschaffen sich tapfer Gehör über das laut mitsingende und mitswingende Auditorium hinweg. Auch die drei Sängerinnen gehören dazu, erwecken keine Sekunde das Gefühl des Fremdseins. Und wenn sie mit einem Augenzwinkern die Aufmachung einer Dame in der ersten Reihe bewundern, ist das ein Beweis dafür, dass auch sie sich hier zu Hause fühlen.

Zuvor hat Alexander Schneller noch gezeigt, was man mit Ringen, Bällen und Kegeln alles machen kann: vornehmlich jonglieren nämlich. So schnell fliegen die unterschiedlichen Gegenstände durch die Luft, dass man es nicht schafft, sie zu zählen, und fast immer fängt sie der talentierte Jongleur in einer regelrechten Choreographie wieder auf oder befördert sie dorthin, wo sie hingehören. Die Gäste bewegt im Anschluss nicht nur das Jongliertalent, es wird auch eifrig die Kleidergröße des Künstlers diskutiert – und die Frage, ob er sich bei einer Zugabe vielleicht auch noch das letzte T-Shirt vom Leib gerissen hätte…

Bunte Flügel

Während Tanzmeister Stanek die ersten Anweisungen für die berühmte Quadrille gibt, flattert eine beflügelte Gruppe in den Tanzsaal. Was es mit diesem Outfit auf sich habe? „Das Motto des heurigen Balls lautet ja ‚Die Liebe hat bunte Flügel‘ – da haben wir uns eben bunte Flügel mitgenommen“, erklären die Engelchen. Ach ja, das Motto. Das wurde zwar in der Moderation nicht noch einmal erwähnt, aber es passt auf jeden Fall. Längst tummeln sich gutgelaunte Pärchen in allen Konstellationen auf dem Ball, und bunt sind die Flügel der vielfältigen Lieben allemal. Nicht zufällig haben Schwule, Lesben und Trans-Personen den Regenbogen als Markenzeichen gewählt – und es ist nett, immer wieder bunte Schärpen unter Sakkos zu entdecken. Und dass auch immer mehr heterosexuelle Menschen die Atmosphäre des Regenbogenballs zu schätzen gelernt haben, ist ein schöner Meilenstein zu einer von gegenseitigem Respekt getragenen Gesellschaft. Wie leicht alles doch sein könnte…

Doch schon tummeln sich wieder Menschenmassen auf dem Parkett, wo die Quadrille ihren schicksalhaften Lauf nimmt. Die Anordnungen ertönen schnell und präzise, auf die langsame Durchführung folgen das Originaltempo und die schnelle Finale. „Tour de mains“, „Damenkette“, „Der Herr voran, der Herr voran, die Dame hinterdrein“ sind Begriffe, die Ballerprobten längst nur noch als Stichwort dienen. Und auch wenn manchmal plötzlich eine Tänzerin verloren zwischen den Reihen steht und niemand weiß, wie sie dahingekommen ist, merkt man doch, dass die meisten mit den Anweisungen relativ gut vertraut sind. Beim anschließenden Galopp einigen sich die Paare nicht auf die Laufrichtung, und so kommt es unweigerlich zu Zusammenstößen unter der Brücke aus Armen. Doch ein bisschen Spontaneität tut gut – und man ist ja en famille.

Der Ball hat nicht an Schwung verloren, es wird weiter getanzt, weiter gelacht, die Lose werden gegen Sachpreise eingetauscht, und das gute Gefühl wird in den jungen neuen Tag mitgenommen. Christian Högls Wunsch, dass die Gäste „ein positives Gefühl und eine angenehme Erinnerung mitnehmen, die noch lange andauert“, dürfte sich nach dem letzten Walzer und dem finalen Radetzkymarsch kurz nach vier Uhr morgens wohl erfüllen. Die Erleichterung steht den OrganisatorInnen ins Gesicht geschrieben: Die Entscheidung für das Parkhotel war eine richtige.

„Ich bin begeistert“, schwärmt ein Ballgast in der Nähe des Tisches der aufbrechenden Gay Cops. „Es sind viele Leute da, aber doch ist es wie in einer Familie. Es ist doch ein bisschen Zuhause.“ Und was wusste schon Dorothy jenseits des Regenbogens? There’s no place like home.

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