„Sosehr wir die EU-Antirassismus-Richtlinie 2000/43 sowie die EU-Rahmenrichtlinie 2000/78 gegen Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf u. a. aufgrund der sexuellen Orientierung begrüßen, durch die jetzt auch in Österreich Lesben und Schwule vor Diskriminierung in der Arbeitswelt geschützt werden, sosehr lehnen wir es ab, dass die Bundesregierung mit ihrem vorgestern vorgelegten Entwurf für ein neues Gleichbehandlungsgesetz die Richtlinien, die ja bloß als Mindestvorgaben der EU anzusehen sind, einfach 1:1 umsetzen will“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz.
„Das ist für uns keineswegs ausreichend“, ergänzt Obmann Christian Högl, „auch wenn wir ohne EU unter der schwarz-blauen Regierung nicht einmal diesen Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt bekommen würden. Wir fordern vielmehr ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz, das über die Minimalanforderungen der EU hinausgeht. Solche umfassenden Antidiskriminierungsgesetze gibt es bereits in etlichen Ländern. Österreich sollte sich am höchsten und nicht wieder nur am niedrigsten Standard orientieren, zumal bereits seit über zwei Jahren ein von verschiedenen NGOs gemeinsam erarbeiteter Entwurf für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz vorliegt.“
HINWEIS: Im UNO-Menschenrechtsjahr 1998 hatten sechs Organisationen (Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, Initiative Minderheiten, Selbstbestimmt Leben Initiative Österreich, SOS Mitmensch, Helping Hands und HOSI Wien) dieses Projekt gemeinsam initiiert. Der Entwurf wurde unter Federführung des LBI für Menschenrechte in reger Diskussion mit zahlreichen NGOs ausgearbeitet und im März 2001 der Öffentlichkeit präsentiert, von Parlament und Regierung aber bis heute ignoriert.
Keine Hierarchie beim Schutz vor Diskriminierung
„Leider hat die EU durch die beiden Richtlinien eine Hierarchie im Schutz vor Diskriminierung aufgebaut. Die Anti-Rassismus-Richtlinie umfasst nämlich über die Arbeitswelt hinaus weitere Bereiche wie den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Bildung und insbesondere auch den Zugang zu und die Versorgung mit Waren und Dienstleistungen“, erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler, der als Vorstandsvorsitzender des europäischen Lesben- und Schwulenverbands ILGA-Europa seit Jahren auf europäischer Ebene intensives Lobbying in Sachen Antidiskriminierungspolitik betrieben hat, nicht zuletzt auch im Vorfeld der Verabschiedung dieser Richtlinien. „Es wäre äußerst schade, würde die Bundesregierung diese Hierarchie im österreichischen Recht einzementieren. Dafür besteht nämlich überhaupt kein Grund – außer man will bewusst bestimmte Gruppen diskriminieren. Außerdem ermöglicht man dadurch potentiellen Diskriminierern bei Vorliegen verschiedener Merkmale ein Verbot zu umgehen. Es kann ja wohl nicht Sinn der Sache sein, dass etwa ein Türsteher dann einem türkischen Schwulen den Zutritt zu einer Diskothek legal verweigern könnte, weil dieser schwul ist, obwohl das eigentliche Motiv dessen ethnische Herkunft ist, eine Zutrittsverweigerung aus diesem Grund aber verboten wäre.“
„Wir fordern daher: Keine Diskriminierung bestimmter Gruppen beim Schutz vor Diskriminierung, sondern umfassende Antidiskriminierungsbestimmungen, die alle Gruppen in allen Lebenslagen vor Diskriminierung und Hasskriminalität schützen“, betont Pankratz abschließend. „Es ist doch geradezu grotesk und widersinnig, ausgerechnet beim Schutz vor Diskriminierung bestimmte Gruppen erst recht wieder zu diskriminieren!“
HINWEIS: Die HOSI Wien hat eine eigene Abteilung mit umfangreichen Materialien zum Thema Antidiskriminierung eingerichtet. Dort findet sich u. a. eine Chronologie der bisherigen Aktivitäten, die zur Berücksichtigung von „sexueller Orientierung“ im Artikel 13 EG-Vertrag (Fassung des Amsterdamer Vertrags) und in der EU-Rahmenrichtlinie 2000/78 führten, sowie der Bemühungen um ihre Umsetzung in Österreich. Ferner stehen zum Download bereit: eine ausführliche Übersicht über Antidiskriminierungsbestimmungen im europäischen Ausland, die EU-Richtlinie 2000/78/EG sowie der ILGA-Europa-Leitfaden „Nach Amsterdam: Sexuelle Orientierung und die Europäische Union“.
Wir verweisen auch auf unsere Aussendung vom 27. Mai 2003.