Im Gespräch mit der APA trat gestern (19. 8.) die FPÖ-Vorsitzende und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer dafür ein, in Sachen § 209 das anstehende Urteil des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) abzuwarten, und bezeichnete darüber hinaus die Haltung zu Paragraph 209 als „Gewissensentscheidung“, die jede/r Abgeordnete für sich selbst treffen müsse.
„Die HOSI Wien verurteilt dieses taktische Lavieren der FPÖ und ihrer Parteichefin nach dem Motto ‚abwarten statt handeln‘ auf dem Rücken der Opfer des menschenrechtswidrigen § 209“, erklärt dazu HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz. „Anstatt nach ihrer Einsicht, § 209 stelle eine international nicht haltbare Diskriminierung dar, sofort die notwendigen politischen Konsequenzen zu ziehen und für die Aufhebung dieser Menschenrechtsverletzung durch das Parlament zu sorgen, wofür es mit den Stimmen der FPÖ eine Mehrheit gebe, schleicht Riess-Passer mit dieser Haltung wie die Katze um den heißen Brei, um offenbar einer offenen Konfrontation mit der kleineren Koalitionspartnerin ÖVP aus dem Weg zu gehen, und verschleiert nebenbei durch den Verweis auf das individuelle Gewissen der Abgeordneten mehr oder weniger elegant die offenkundige Tatsache, daß in der FPÖ selbst beim besten Willen keine klare Linie in dieser Frage zu erkennen ist.“
Als „typisch populistisch“ bewertet Pankratz die gestrigen Aussagen der FPÖ-Vorsitzenden: „Es ist der opportunistische Winkelzug einer völlig unberechenbaren Partei und ihrer Führerin, die sich gleichzeitig bei den Homosexuellen einschmeicheln und bei potentiell antihomosexuellen Wählerschichten nicht unbeliebt machen will und dabei eiskalt die Menschenrechte homosexueller Menschen dem eigenen Machterhalt opfert, indem sie den Kuschelkurs mit der Schüssel-ÖVP um keinen Preis aufgeben will, deren notorisch homosexuellenfeindliche Haltung – durch die gesamte Geschichte der 2. Republik – hinlänglich bekannt ist.“
Menschenrechte keine Angelegenheit individueller Moralvorstellungen
„Wir halten es auch schlichtweg für ungeheuerlich, den Weiterbestand einer Menschenrechtsverletzung als ‚Gewissensentscheidung‘ den einzelnen Abgeordneten nach eigenem Gutdünken zu überlassen“, ergänzt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Menschenrechte sind unteilbar und unveräußerlich und dürfen niemals persönlichen Geschmacksfragen unterworfen werden. Demnächst fällt es der FPÖ womöglich noch ein, Volksabstimmungen über die Gewährung bzw. Nichtgewährung von Menschenrechten an bestimmte Gruppen abzuhalten!“
„Jeder Tag des Zuwartens ist zuviel“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Jede neue Anzeige und jedes Gerichtsverfahren nach § 209, jede einzelne Stunde, die nach diesem Schandparagraphen verurteilte Menschen in Österreich noch im Gefängnis verbringen müssen, während die FPÖ auf ein Verfassungsgerichtshofurteil wartet, zählt doppelt und dreifach.“
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien fordert die FPÖ auf, dem angekündigten Antrag der Grünen auf ersatzlose Streichung des § 209 bei der erstmöglichen Gelegenheit im Nationalrat nach der Sommerpause zuzustimmen. Das sollte ja kein Problem sein, wenn es die FPÖ-Vorsitzende tatsächlich mit ihren gestrigen Erklärungen gegenüber der APA ernst meint.