„Es ist ein Riesenskandal, daß der Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 209 – weil verfassungswidrig – weiter verzögern will“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz nach der heutigen Pressekonferenz des VfGH, bei der Präsident Adamovich ankündigte, daß die Beschwerde gegen § 209 zwar in der nun beginnenden Frühjahrssession auf der Tagesordnung stehen, aber vermutlich noch nicht entschieden werden wird.
„Das ist ungeheuerlich. Hier geht es um Menschenrechte. Jeder neue Fall einer Verhaftung oder Verurteilung nach diesem menschenrechtswidrigen Sonderparagraphen beeinträchtigt und ruiniert mitunter die gesamte Existenz der Betroffenen und ist daher nicht hinnehmbar. Wir fragen uns wirklich, worauf wartet der Gerichtshof noch, die Sache ist längst entscheidungsreif!“
Menschenverachtende Verzögerungstaktik
„In der Tat wissen die VerfassungsrichterInnen selbst am allerbesten, daß sie den § 209 nicht länger aufrechterhalten können“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Internationale Instanzen, die über dem VfGH stehen und mehr Gewicht haben, haben schon längst entschieden, daß diskriminierende Strafrechtsbestimmungen gegen Homosexuelle, darunter ausdrücklich höhere Mindestaltersgrenzen, die Menschenrechtskonventionen verletzen, darunter die Europäische Menschenrechtskommission, der UNO-Ausschuß für Menschenrechte, die Parlamentarische Versammlung des Europarats oder das Europäische Parlament. Offensichtlich wollen die VerfassungsrichterInnen durch ein positives Erkenntnis nicht ihren Irrtum aus 1989 einbekennen, als sie § 209 als verfassungskonform einstuften. Mit einem negativen Entscheid würden sie sich international blamieren. Daher die unerträgliche Verzögerungstaktik auf dem Rücken der Betroffenen. Das ist pure Menschenverachtung.“
Würden diesen RichterInnen keine Träne nachweinen
„Die VerfassungsrichterInnen würden wohl auch über Leichen gehen“, erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Leider hat Jörg Haider mit seinen Brachialangriffen auf den VfGH jede seriöse Debatte über die tatsächlich untersuchungsbedürftige Spruchpraxis des VfGH desavouiert und damit der Durchsetzung voller Menschenrechte für alle BürgerInnen leider einen denkbar schlechten Dienst erwiesen. Wir würden diesen RichterInnen, die ungerührt auf den Menschenrechten von Homosexuellen herumtrampeln, jedenfalls keine Träne nachweinen, sollten sie abgesetzt werden. Die höchst konservative bis reaktionäre Spruchpraxis der österreichischen Höchstgerichte hat ja auch dazu geführt, daß Österreich trotz seiner geringen Einwohnerzahl unter den 43 Mitgliedsstaaten des Europarats zu den am häufigsten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilten Ländern zählt. Angesichts der skandalösen Vorgangsweise des VfGH bei § 209 drängt sich wirklich der Verdacht auf, daß die RichterInnen selbst über Leichen gehen würden, um sich aus dieser für sie unangenehmen Affäre zu ziehen. Offenbar würden sie es als weniger schmachvoll betrachten, wenn der EGMR demnächst § 209 und damit das VfGH-Erkenntnis aus 1989 aufhebt. Von Straßburg korrigiert zu werden sind sie ohnehin gewohnt.“