Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien beurteilt in ihrer Stellungnahme im Rahmen des Begutachtungsverfahrens den Entwurf für ein Privatsphäre-Schutzgesetz sehr skeptisch und bezweifelt, ob die neue Gesetzesbestimmung wirklich notwendig und im positiven Sinne anwendbar ist. Vielmehr befürchtet die HOSI Wien, das Gesetz könnte dazu missbraucht werden, der Öffentlichkeit wichtige Informationen vorzuenthalten.
„Besonders starke Bedenken haben wir gegen eine Passage in den Erläuterungen, die geeignet ist, bestehende gesellschaftliche Homophobie und Diskriminierung von Lesben und Schwulen weiter einzuzementieren, anstatt sie zu bekämpfen“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz. „So soll laut den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf die ‚geschlechtliche Orientierung‘ zur geschützten ‚Geheimsphäre‘ eines Menschen zählen. Wir können uns jedoch nicht vorstellen, dass eine Person zu mindestens 1000 Euro Schadenersatz verurteilt wird, wenn sie über eine andere Person offenbart, dass diese heterosexuell ist. Es geht in Wirklichkeit wohl nur um bestimmte sexuelle Orientierungen. Und das ist natürlich hochgradig problematisch, denn damit stellt der Gesetzgeber einmal mehr fest, dass nicht alle sexuellen Orientierungen gleichwertig und damit gleichermaßen gleichgültig sind. Damit gibt er den in Teilen der Bevölkerung leider immer noch vorhandenen Vorurteilen gegen Homo- bzw. Bisexualität nach, ja verfestigt diese geradezu.“
Wichtige Informationen dürfen der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden
„Von jemandem zu sagen, sie oder er sei homosexuell (egal, ob es zutrifft oder nicht), darf genauso wenig als Eingriff in die Privatsphäre gewertet werden, wie jemandes tatsächliche oder vermeintliche Heterosexualität oder Augenfarbe zu offenbaren“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Wir sehen die große Gefahr, dass das vorgeschlagene Gesetz dazu missbraucht wird, das Bekanntwerden von Informationen zu verhindern, die zu erfahren die Öffentlichkeit ein legitimes Anrecht hat. In den Erläuterungen werden die Umstände nicht ausreichend abgewogen, die einen ‚Eingriff‘ in die Privatsphäre sehr wohl rechtfertigten und daher nicht strafbar machten. Denkbar wäre etwa der Fall, dass ein erst 25-jähriger Nachwuchspolitiker vom Altlandeshauptmann eines Bundeslandes zum Landeshauptmannstellvertreter und später sogar zum Finanzminister ‚gemacht‘ wird. Da hätte doch die Öffentlichkeit geradezu ein Recht darauf, die näheren Umstände und Hintergründe zu erfahren. Solche Umstände – etwa ein sexuelles Verhältnis der beiden – zu offenbaren wäre in einem solchen Fall wohl oberste Bürgerpflicht, insbesondere wenn sich dann in der mehr als kläglichen Performance dieser Person in ihrer Amtsführung nicht einmal Spuren einer Qualifikation für diese Funktionen erkennen lassen.“
„Das gilt aber auch für heterosexuelle Verhältnisse – im Kleinen wie im Großen“, meint Pankratz weiter. „Die Kirchengemeinde hat ein Anrecht zu wissen, ob der Pfarrer mit seiner Köchin in Sünde lebt, denn wie soll ein Gemeindemitglied sonst für sich die Entscheidung treffen können, von diesem Pfarrer noch die Hostie empfangen zu wollen oder nicht? Oder wenn beispielsweise die Moderatorin einer TV-Nachrichtensendung mit einem Minister ein Verhältnis hat und dies vor den ZuseherInnen verheimlicht wird, fehlt diesen doch die entscheidende Information und damit die grundlegende Voraussetzung, um etwa einen Bericht über diesen Minister oder ein Interview mit ihm tatsächlich einschätzen und beurteilen zu können.“
Echter Schutz vor Diskriminierung
„Ganz klar sprechen wir uns aber einmal mehr für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz aus, das Menschen vor Benachteiligungen unter anderem aufgrund ihrer sexuellen Orientierung schützt. Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen selbst muss bekämpft werden. Das erreicht man nicht durch ein Gesetz, das dem Verheimlichen der sexuellen Orientierung Vorschub leistet“, stellt Högl abschließend klar.
Die HOSI Wien fordert daher umfassende Klarstellungen in den Erläuterungen zum Privatsphäre-Schutzgesetz, um den Gerichten kein weiteres reines Willkür-Gesetz in die Hand zu geben. Die Stellungnahme der HOSI Wien ist hier nachzulesen.