Gestern abend, 17. 9., hat das Europäische Parlament Österreich zum dritten Mal innerhalb von eineinhalb Jahren aufgefordert, den menschenrechtswidrigen § 209 StGB abzuschaffen (diskriminierende Mindestaltersgrenze für schwule Beziehungen).
„Diese neuerliche Verurteilung Österreichs ist eine Riesenblamage gerade jetzt während Österreich den EU-Vorsitz innehat“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Waltraud Riegler. „Der Nationalrat, speziell ÖVP und FPÖ müssen jetzt endlich handeln. Jede weitere Verzögerung wäre ein peinlicher Affront gegenüber dem Europa-Parlament. Schließlich fordert das EP Österreich auch dringend auf, alle nach § 209 Inhaftierten unverzüglich zu begnadigen und freizulassen. Österreich steht da wie die letzte Bananenrepublik.“
Krauses Menschenrechtsverständnis Rauch-Kallats
„Wir sind auch bestürzt über das Demokratie- und Menschenrechtsverständnis der ÖVP, die offenbar meint, Menschenrechte seien eine Frage von demokratischen Mehrheitsentscheidungen“, kommentiert HOSI-Wien-Obmann Christian Högl die gestrige Presseaussendung von ÖVP-Generalsekretärin Rauch Kallat (OTS 0134), „das erinnert uns fatal an die Nazis, die die Menschenrechte der Juden auch durch Mehrheitsbeschluß außer Kraft gesetzt haben. Das Wesen der Menschenrechte ist aber, daß sie unteilbar sind und auch nicht durch die demokratischsten Mehrheitsbeschlüsse für eine Gruppe ausgesetzt werden können. Daß ein für Hetero- und Homosexuelle unterschiedliches Mindestalter für sexuelle Kontakte eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt, hat die Europäische Menschenrechtskommission im Vorjahr festgestellt. Die ÖVP sollte diese Entscheidungen endlich respektieren und nicht weiterhin die Institutionen des Europarats und der EU verhöhnen. Die Argumentation der ÖVP, das EP sei nicht zuständig, greift hier nicht. Menschenrechte sind und können nie eine Frage von Subsidiarität sein!“
Voraussetzung für Beitrittsländer
„In der gestern angenommenen Entschließung stellt das EP ausdrücklich fest, daß es einer Aufnahme von Staaten mit lesben- und schwulendiskriminierenden Gesetzen nicht zustimmen wird“, erklärt Kurt Krickler, Generalsekretär der HOSI Wien und Vorstandsvorsitzender des europäischen Lesben- und Schwulenverbands ILGA-Europa, der durch sein europaweites Lobbying maßgeblich zur Verabschiedung der Entschließung beigetragen hat. „Ein ähnlicher Entschließungsantrag scheiterte ja bekanntlich letzten Juli an der fehlenden Unterstützung durch die sozialdemokratische Fraktion, die jedoch jetzt umgestimmt werden konnte. Besonderer Dank gilt vor allem LiF-Abgeordnetem Friedhelm Frischenschlager, der die Sache trotz gescheiterter Initiative im Juli konsequent weiterverfolgte.“ (Vgl. Aussendung vom 15. Juli 1998)
„Die betroffenen Beitrittskandidaten”, ergänzt Krickler, der die Debatte gestern vor Ort in Straßburg verfolgte, „sind im übrigen Zypern, Ungarn, Bulgarien, Estland, Litauen und Rumänien. Schafft Österreich den § 209 nicht ab, hätte die EU ein großes Glaubwürdigkeitsproblem gegenüber diesen Staaten.“