„Wir bedauern die gestern bekannt gewordene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Sachen Fortpflanzungsmedizingesetz“, erklärt Luzia Hütter, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. „Für uns bedeutet diese Entscheidung, dass nunmehr die Politik gefordert ist, eine Gesetzesänderung herbeizuführen, damit der bestehende gesetzliche Ausschluss alleinstehender und in gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebender Frauen vom Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung beseitigt wird.“
„Immerhin hat ja die Bioethik-Kommission im Bundeskanzleramt bereits im Juli 2012 eine diesbezügliche Empfehlung abgegeben. Zudem teilt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Ansicht, dass das Recht, ‚ein Kind zu bekommen und sich zur Erfüllung des Kinderwunsches die Errungenschaften der Fortpflanzungsmedizin zunutze zu machen‘, zu jenen Rechten zählt, die vom Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt werden“, so Hütter weiter. „Die HOSI Wien fordert daher eine Ausweitung des derzeitigen Anwendungsbereichs des Fortpflanzungsmedizingesetzes auf lesbische und alleinstehende Frauen. Der Gesetzgeber kann es ohnehin nicht verhindern, wie die alltägliche Praxis zeigt, dass Frauen, die schwanger werden können und es wollen, es auch werden, selbst wenn sie alleinstehend oder lesbisch sind. Sie werden daher – wie bisher schon – Samenbanken im benachbarten Ausland in Anspruch nehmen oder sich die „Befruchtung“ im Freundeskreis organisieren. Daher wäre es vernünftiger, das Gesetz zu ändern!“
Gegenstand der Prüfung durch den VfGH
Gegenstand des Antrags an den VfGH war zu prüfen, ob im § 2 Abs 1 des FMedG („Eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung ist nur in einer Ehe oder Lebensgemeinschaft von Personen verschiedenen Geschlechts zulässig“) die Wortfolge „von Personen verschiedenen Geschlechts“ verfassungswidrig sei. Der VfGH wies diesen Antrag mit der Begründung zurück, die Streichung dieser Wortfolge würde einen vermeintlich fassungswidrigen Zustand im FMedG nicht beseitigen. Der VfGH führt dazu aus, dass die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen für den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin nur von Partnern in heterosexuellen Lebensgemeinschaften erfüllt werden können. „Aufgrund dieser Ausführungen gehen wir davon aus, dass auch ein weitgefassterer Prüfungsantrag an den VfGH zu keinem anderen Ergebnis führen wird“, so HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Denn das Gesetz ist in Wahrheit – im Vergleich zu den gesetzlichen Bestimmungen in vielen anderen Ländern – auch für Heterosexuelle sehr restriktiv.“
Hier die relevanten Gesetzespassagen:
§ 1. (1) Medizinisch unterstützte Fortpflanzung im Sinn dieses Bundesgesetzes ist die Anwendung medizinischer Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr.
(2) Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung im Sinn des Abs. 1 sind insbesondere
1. das Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau (…)
§ 3. (1) Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen nur die Eizellen und der Samen der Ehegatten oder Lebensgefährten verwendet werden.
(2) Für die Methode nach § 1 Abs. 2 Z 1 darf jedoch der Samen eines Dritten verwendet werden, wenn der des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist.
Das heißt: Grundsätzlich darf gemäß bestehender Gesetzeslage immer nur Eizelle oder Samen der Ehegatten bzw. Lebensgefährten verwendet werden; einzige Ausnahme, bei der auch der Samen eines Dritten verwendet werden darf, ist das Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau, aber hier gilt: nur dann, wenn der Samen des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist. „Unbemannte“ Frauen – egal, welcher sexuellen Orientierung oder welchen Familienstands – können also die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen gar nicht erfüllen.
Siehe auch: Aussendung vom 15.10.2011
Aussendung vom 18.3.2004