Nachdem in jüngster Zeit offenbar die Bemühungen verstärkt werden, einen Ausweg aus den EU-Maßnahmen gegen Österreich zu finden, hat die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien heute neuerlich an die Premier- und AußenministerInnen der anderen 14 EU-Staaten ein Schreiben gerichtet, in dem diese aufgefordert werden, an die Aufhebung ihrer Maßnahmen auch die Beendigung der Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen als Bedingung zu knüpfen.
„Bekanntlich verletzt Österreich durch die Beibehaltung eines höheren Mindestalters für (männliche) homosexuelle Beziehungen (18 Jahre) als für heterosexuelle Beziehungen (14 Jahre) – § 209 öStGB – die Europäische Menschenrechtskonvention. Österreich ignoriert nicht nur eine Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission und eine Aufforderung des UNO-Ausschusses für Menschenrechte, § 209 aufzuheben, sondern auch fünf diesbezügliche Entschließungen des Europäischen Parlaments aus 1997, 1998 und 2000“, erklärt dazu HOSI-Wien-Obfrau Waltraud Riegler. „Zweimal hat das EP Österreich auch aufgefordert, alle nach § 209 inhaftierten Personen unverzüglich freizulassen.“
Glaubwürdigkeit der EU-Regierungen steht auf dem Spiel
„Die Maßnahmen gegen Österreich nun aufzuheben, ohne diese schwerwiegenden Verstöße gegen die Menschenrechte abzustellen, würde die 14 Regierungen und ihre Motive für die Verhängung der Maßnahmen unglaubwürdig machen“, betont HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Das haben wir den Regierungschefs und AußenministerInnen auch geschrieben. Es wäre schwierig zu argumentieren, warum Österreich durch eine bedingungslose Aufhebung der Maßnahmen quasi einen Freibrief zur Fortsetzung dieser schwerwiegenden und anhaltenden Menschenrechtsverletzung ausgestellt bekäme. Die ÖVP-FPÖ-Koalition würde sich in ihren diskriminierenden Haltungen und Aktionen gegenüber Homosexuellen dadurch nur bestärkt fühlen.“
„Österreich hat sich ja trotz § 209 in die EU gewissermaßen hineinschwindeln können, weil es damals keine Menschenrechtsüberprüfung gab“, erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „1995, als Österreich beitrat, gab es weder eine Überprüfung nach den Kopenhagener Beitrittskriterien noch eine Bestimmung wie Artikel 7 EUV in der Fassung des Amsterdamer Vertrags. Die neuen Bewerberländer Mittel- und Osteuropas hingegen müssen die Menschenrechte achten und daher noch bestehende diskriminierende Mindestaltersbestimmungen vor einem Beitritt abschaffen. [vgl. die Entschließungen des Europäischen Parlaments B4-0824 und 0852/98, Erwägung J und Ziffer 2, sowie A5-0050/2000, Ziffer 76]. Wäre Österreich heute ein Beitrittskandidat, es würde die Kopenhagener Kriterien eindeutig nicht erfüllen.“
Zwei vom Europäischen Parlament unterstützte Bedingungen
„Wir appellieren an Sie“, heißt es in dem Schreiben der HOSI Wien, „Machen Sie Ihre Regierung und Ihr Land nicht zu Komplizen der Menschenrechtsverletzungen in Österreich und heben Sie die Maßnahmen gegen Österreich nicht auf, bevor nicht § 209 abgeschafft ist und bevor nicht alle aufgrund dieser Bestimmung inhaftierten sexualpolitischen Gewissensgefangenen aus dem Gefängnis entlassen sind.“