Gestern, 21. 3., fand im Europäischen Parlament in Brüssel eine Anhörung über die „Lage der Menschenrechte in der EU und den Aufbau des europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ statt.
An diesem vom „EP-Ausschuß für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten“ organisierten Meinungsaustausch über Fragen u. a. der gemeinsamen Einwanderungs- und Asylpolitik nahmen auch Mitglieder der nationalen Parlamente und VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen teil, darunter des europäischen Lesben- und Schwulenverbands ILGA-Europa.
„In ihrer Stellungnahme hat die ILGA-Europa auf noch bestehende Verletzungen der Menschenrechte lesbischer Frauen und schwuler Männer in manchen EU-Staaten hingewiesen. Daß der Schwerpunkt dabei auf Österreich lag, verdankt das Land der in Europa inzwischen einzigartigen Verfolgung der Liebe zwischen Männern nach § 209 StGB. Damit hält Österreich einen Rekord, auf den wir nicht stolz sind: nämlich die schlimmste Verfolgung von allen EU-Staaten zu haben“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz. „Die ILGA-Europa wies auf die negativen Entwicklungen in Österreich hin, wie die jüngsten 209er-Urteile und ihre skandalösen Begleiterscheinungen. Aber auch auf erfreuliche Signale, die sich in jüngster Zeit häufen, wie die Adoption eines wegen § 209 Verfolgten als Gewissensgefangenen durch amnesty international und die Erklärung der für Asylfragen zuständigen Ministerin Maj-Inger Klingvall im schwedischen Reichstag, wegen § 209 Verfolgte könnten in Schweden Asyl erhalten.“
Österreich gefährdet Aufbau des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
„Österreich gefährdet mit seiner hartnäckigen Weigerung, diese Menschenrechtsverletzung zu beseitigen, auch den Aufbau des europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, wie er laut Amsterdamer Vertrag (Titel IV, Artikel 61 ff EGV) bis 1. Mai 2004 erfolgen soll“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, „denn solange Bürger eines Mitgliedsstaats in einem anderen berechtigterweise um politisches Asyl ansuchen können, kann es wohl keine gemeinsame Asylpolitik aller EU-Staaten geben. Österreich, dessen Ruf in der EU ohnehin angeschlagen ist, fällt mit seinem anachronistischen und menschenrechtswidrigen Parapraphen 209 aber nicht nur in diesem Zusammenhang unangenehm auf, sondern macht sich insgesamt lächerlich. Die HOSI Wien und die ILGA-Europa werden jedenfalls keine Gelegenheit versäumen, auf europäischer bzw. internationaler Ebene diese Menschenrechtsverletzungen in Österreich anzuprangern, auch wenn manche darin eine Österreich-Vernaderung sehen.“
Anprangern – bis sich ÖVP und FPÖ einsichtig zeigen
Ein weiterer solcher Anlaß bietet sich heute nachmittag beim Gesprächstermin der ILGA-Europa mit dem schwedischen EU-Ratsvorsitz in Stockholm. Die beiden Vorstandsvorsitzenden der ILGA-Europa – Jackie Lewis und Kurt Krickler – werden im schwedischen Außenministerium mit MitarbeiterInnen der Menschenrechtsabteilung zusammentreffen. „Neben anderen Fragen werden wir bei dieser Gelegenheit auch die Menschenrechtsverletzungen aufgrund des § 209 in Österreich ansprechen“, kündigt Krickler an, der auch Generalsekretär der HOSI Wien ist. „Wir werden einmal mehr darauf drängen, daß die EU in dieser Frage endlich handelt, denn Österreich ist durch diese Menschenrechtsverletzung nicht nur ein Schandfleck für die gesamte EU, sondern diese hat dadurch auch größte Glaubwürdigkeitsprobleme gegenüber den Beitrittskandidatenländern, von denen die strikte Einhaltung der Menschenrechte als Bedingung für die Aufnahme in die EU verlangt wird.“