„Wir sind empört über eine erst durch einen Artikel in der Presse vergangenes Wochenende einer größeren Öffentlichkeit bekanntgewordenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs. Demnach haben gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen im Gegensatz zu verschiedengeschlechtlichen keinen Anspruch auf Mitversicherung bei der Sozialversicherung ihrer PartnerInnen, wenn sie diesen unentgeltlich den Haushalt führen und selbst nicht sozialversichert sind“, kommentiert HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz die bereits im Oktober 2001 getroffene Entscheidung.
„Die Begründung des VwGH ist hochgradig unlogisch und zeigt, daß hier keine sachliche, sondern eine rein ideologische Entscheidung getroffen wurde.“
Der VwGH hatte seine Entscheidung damit begründet, daß man bei zwei verschiedengeschlechtlichen Personen davon ausgehen könne, daß sie zum Zwecke der Lebensgemeinschaft zusammenleben, während im Gegensatz dazu bei zusammenlebenden gleichgeschlechtlichen Personen die objektive Unterscheidung von Lebensgemeinschaft und bloßer Wohngemeinschaft schwer zu treffen sei.
„Uns ist nicht nachvollziehbar, wie die höchsten Verwaltungsrichter zu einer solchen Auffassung gelangen können“, wundert sich HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, „mittlerweile gibt es, wie schon jedes Kind weiß, eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensformen, und es wohnen wohl auch verschiedengeschlechtliche Personen oft in reiner Zweck-Wohngemeinschaft zusammen. Die vom VwGH getroffene Unterscheidung zwischen zusammenlebenden Personen gleichen und verschiedenen Geschlechts hat jedenfalls mit der Realität nicht das geringste zu tun. Und wenn sich jemand eine Mitversicherung erschleichen will, wird er oder sie sich wohl auch eher einen verschiedengeschlechtlichen Partner dafür suchen, als sich als homosexuell zu outen oder auszugeben. Da rund 90 Prozent der Bevölkerung heterosexuell sind, ist das Mißbrauchspotential allein schon deshalb bei Heterosexuellen weitaus größer als bei Homosexuellen.“
Selbstdemontage der HöchstrichterInnen
„Österreichs Höchstgerichte dürfen sich jedenfalls nicht wundern, wenn sie angesichts solcher hanebüchener und menschenverachtender Entscheidungen heftig kritisiert werden und sich selbst jeden Respekt abgraben“, erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Mit dieser Entscheidung hat neuerlich ein Höchstgericht anschaulich unter Beweis gestellt, daß es sich keinem umfassenden Begriff der Menschenrechte und Gleichbehandlung aller Menschen verpflichtet fühlt, sondern – wie auch der Oberste Gerichtshof und der Verfassungsgerichtshof – die Menschenrechtsrechtskonventionen durch eine konservative bis reaktionäre Spruchpraxis äußerst restriktiv auslegt. Daher überrascht es auch keineswegs, daß Österreich mit seinen bloß acht Millionen EinwohnerInnen zu jenen Ländern zählt, die am häufigsten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt werden. Wir können jedenfalls einen Gerichtshof, der vor lauter ideologisch geprägter Homophobie dermaßen lächerlich argumentiert, nicht ernst nehmen.“
Angesichts solcher Entscheidungen – wie auch jener des VfGH zu § 209 vom November 2001 – wäre eine breite öffentliche Debatte über die Entscheide der Höchstgerichte mehr als notwendig. Durch Jörg Haiders Brachialangriffe auf einzelne Richter wird eine solche höchst dringliche demokratische Diskussion leider torpediert bzw. erschwert und damit dem Kampf für Gerechtigkeit und Menschenrechte ein denkbar schlechter Dienst erwiesen.
Der VwGH-Entscheid im Wortlaut.
Anmerkung: Zuvor hatte der Verfassungsgerichtshof diese Beschwerde zurückgewiesen (Beschluss B 935/98-3 vom 15. Juni 1998) und danach an den VwGH zur Entscheidung abgetreten (Beschluss B 935/98 vom 20. Juli 1998).
2000 hatte der Verfassungsgerichtshof auch eine ähnliche Beschwerde zurückgewiesen.