„Jugendliche davor zu bewahren, daß eine mögliche Zwangslage für sexuelle Handlungen ausgenutzt wird oder daß sie gegen Entgelt zu sexuellen Handlungen verleitet werden – dagegen ist an und für sich nichts zu sagen“, kommentiert HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz den gestern abend bekanntgewordenen Entwurf für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts, auf den sich FPÖVP geeinigt hat.
„Wir bezweifeln aber, ob das Strafrecht das geeignete Mittel dazu ist. Wieso konzentriert man sich nicht darauf, daß Zwangslagen für Jugendliche erst gar nicht entstehen bzw. sofort beseitigt werden? Viel zielführender erscheint uns auch, das Selbstbewußtsein und die Selbstbestimmungsfähigkeit von Jugendlichen zu stärken. Wir halten es daher für unabdingbar, daß der Gesetzesentwurf einer breiten Begutachtung durch Jugendorganisationen und ExpertInnen unterzogen und hier nicht über die Köpfe der Jugend hinweg entschieden wird. Es wäre unseriös, die Bestimmungen überhastet noch vor der Sommerpause durch das Parlament zu peitschen. Dazu besteht kein Anlaß.“
ÖVP hat offenkundig kläglich versagt
„Wir sind zwar über den Handlungsbedarf verwundert“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, „nehmen aber zur Kenntnis, daß die ÖVP – seit 1945 bis auf 13 Jahre ununterbrochen in der Regierung – in all den Jahren so sträflich versagt und heterosexuelle Jugendliche offenbar über Jahrzehnte völlig unzureichend vor sexuellem Mißbrauch geschützt hat.“
Mit besonderer Skepsis kommentiert Högl die ungenauen Formulierungen: „Große Probleme haben wir mit so schwammigen Begriffen wie ‚mangelnde Reife‘, hier droht ein echter ‚Gummiparagraph‘! Das läßt in seiner Anwendung Schlimmes befürchten – nicht zuletzt auch aufgrund der fürchterlichen Erfahrungen, die Lesben und Schwule in der Vergangenheit mit der österreichischen Justiz machen mußten. Und stellt die Einladung zu einem Candle-Light-Dinner in ein teures Restaurant bereits ‚Entgeltlichkeit‘ dar?“
Getrennte Kriminalstatistik
„Der Umstand, daß diese Bestimmungen als Reaktion auf die Aufhebung des § 209 eingeführt werden sollen, macht uns natürlich besonders mißtrauisch. Wir befürchten, daß die neuen Paragraphen hauptsächlich gegen Schwule und Lesben angewendet werden“, so Högl weiter. „Deshalb verlangen wir, daß jedenfalls die Kriminalstatistik zu diesen Bestimmungen nach hetero- und homosexuellen Fällen getrennt geführt wird. Wenn sich dann in einigen Jahren zeigt, daß 90 % der Anzeigen, Gerichtsverfahren und Verurteilungen Schwule und Lesben betreffen und nicht Heterosexuelle, wie das statistisch zu erwarten wäre, dann wäre offenkundig, daß diese Bestimmungen auf diskriminierende Art und Weise angewendet würden, was entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen müßte.“
Schutz der Jugend vor Zwangsheterosexualität
„Auch uns geht es um den Jugendschutz“, betont Pankratz – zum wiederholten Mal: „Um den Schutz junger Frauen und Männer im Coming-out-Alter vor Disziplinierung und Diskriminierung durch Eltern, Schule, Gesellschaft, Justiz und Kirche. Dazu bedarf es eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes, das Lesben und Schwule jeden Alters vor Benachteiligung, Beschimpfung und Verfolgung schützt, sowie der völligen Gleichberechtigung aller Sexualitäten und Lebensformen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Das wären sinnvolle Maßnahmen zum Schutz der Jugend.“