„Wir nehmen die heutigen Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee zum Anlass, die Bundesregierung abermals aufzufordern, unverzüglich die wegen ihrer sexuellen Orientierung vom NS-Regime Verfolgten zu rehabilitieren“, erklärt Bettina Nemeth, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. „Menschen, die wegen ihrer Homosexualität im KZ inhaftiert waren, haben bis heute keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG).“
Die Haltung von ÖVP und FPÖ steht im krassen Widerspruch zur Auffassung der Historikerkommission, die in ihrem Schlussbericht vom Jänner 2003 kritisiert hat, dass nach Aufhebung des Verbots der Homosexualität 1971 keine rückwirkende Einbeziehung dieser Gruppe ins OFG erfolgte und „dass auf Grund formalrechtlicher Erwägungen sogar die Anhaltung im Konzentrationslager, die keinesfalls als rechtsstaatliche Maßnahme betrachtet werden kann, im Sinne einer Bestrafung nach österreichischem Recht interpretiert wurde“ (S. 342). Auch das Europäische Parlament erwähnt in seiner heutigen Entschließung zum Gedenken an den Holocaust die Opfergruppe der Homosexuellen.
HOSI Wien stellt Ultimatum
„Wir räumen der Bundesregierung eine letzte Frist bis Ende Februar 2005 ein“, kündigt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl an. „Sollte bis dahin das OFG nicht entsprechend geändert sein – es müssen nur die beiden Wörter ‚sexuelle Orientierung‘ in die Aufzählung der Verfolgungsgründe aufgenommen werden –, werden wir mit unseren Vorbereitungen für internationale Protestaktionen in Zusammenhang mit den Befreiungsfeiern am 8. Mai 2005 in Mauthausen beginnen. Wir werden dafür sorgen, dass sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wieder in einem Maß auf Österreichs nicht bewältigte Vergangenheit richten wird, wie dies seit den Maßnahmen der EU-14 gegen die blau-schwarze Regierung vor fünf Jahren nicht mehr der Fall gewesen ist. Wer auch 60 Jahre nach Niederringung des Nationalsozialismus bestimmte NS-Opfergruppen nicht entschädigen will, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, selber ewiggestriges NS-Gedankengut zu vertreten.“
HINWEISE: Auf dem Website der Online-Ausstellung „Aus dem Leben“ finden sich etliche Hintergrundberichte zum Thema NS-Verfolgung Homosexueller, darunter auch ein ausführlicher Bericht über die bisher gescheiterten, schon mehr als 20 Jahre dauernden Bemühungen um Anerkennung dieser Opfergruppe im OFG.