Am Samstag, 8. November 2014, wird die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien, der erste Lesben- und Schwulenverband Österreichs, mit einer Festveranstaltung – auf Einladung der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und Transgender-Lebensweisen (WASt) im Wappensaal des Wiener Rathauses – ihren 35. Geburtstag feiern. „Dieses Jubiläum bietet Gelegenheit, Bilanz zu ziehen“, erklärt Obfrau Cécile Balbous, „und diese fällt in jeder Hinsicht äußerst positiv aus: Gemeinsam mit anderen Initiativen und Gruppen der LSBT-Bewegung hat die HOSI Wien seit 1979 die Situation von Lesben und Schwulen in Österreich grundlegend zum Besseren verändert und Österreich in Sachen rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz von einer Schlusslicht- zu einer Spitzenfeldposition in Europa geführt.“
„Die HOSI Wien hat in all den Jahren ein sehr breites Spektrum an Aktivitäten abgedeckt“, so Balbous weiter. „Da ist natürlich an erster Stelle das politische Lobbying zu nennen, der Kampf gegen die strafrechtlichen Sonderbestimmungen, für den gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung, für die offizielle Anerkennung und Entschädigung der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus oder zuletzt für die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft. Es war zwar jedesmal ein langer und zäher Kampf, aber letztendlich war er stets von Erfolg gekrönt. Mindestens genauso wichtig wie die politische Arbeit ist jedoch immer auch die – begleitende – breite Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit und deren Sensibilisierung für unsere Anliegen gewesen.“
In diesem Sinne hat die HOSI Wien viele tausende Kontakte zu PolitikerInnen und MedienvertreterInnen gehabt. Zu dieser Informationstätigkeit gehört auch die Herausgabe eigener Publikationen, etwa von sechs Büchern oder der LAMBDA-Nachrichten, die mittlerweile im 36. Jahrgang erscheinen und damit heute die älteste noch erscheinende Lesben- und Schwulenzeitschrift im deutschsprachigen Raum sind. Die HOSI Wien war weltweit auch eine der ersten LSBT-Gruppen mit eigenem Internetauftritt. Auch tausende Veranstaltungen, die wir im Laufe dieser 35 Jahre organisiert bzw. an denen wir uns beteiligt haben, sind Teil dieser breiten Bewusstseinsbildung, der sich der Verein von Anfang an verschrieben hat. Sein Schulbesuchsprojekt „peerconnexion“ ist seit 2003 ebenfalls wichtiger Bestandteil dieser Aufklärungs- und Bildungsarbeit.
Ort der Begegnung
„Ein weiterer ganz wesentlicher und zentraler Tätigkeitsschwerpunkt ist seit 35 Jahren die persönliche Unterstützung beim Coming-out, die Beratung, die Selbsthilfe, die in erster Linie in den Interessen- und Arbeitsgruppen des Vereins – z. B. in der Jugend-, der Coming-out- oder der Lesbengruppe – erfolgt“, ergänzt Obmann Christian Högl. „Eine wichtige Voraussetzung dafür waren eigene Räumlichkeiten, die der Verein schon wenige Monate nach seiner Gründung anmietete, und zwar 1980 in der Novaragasse in der Leopoldstadt. Nach 30 Jahren an diesem Standort übersiedelten wir dann vor vier Jahren ins ‚Gugg‘ auf der Wieden. Allein der Umstand, dass die HOSI Wien seit 35 Jahren ein eigenes Vereinszentrum, das an 5–7 Tagen der Woche geöffnet hat, in ehrenamtlicher Selbstverwaltung führt und laufend mit einem vielfältigen geselligen, Bildung- und Kulturprogramm füllt, ist bemerkenswert und wohl auch im internationalen Vergleich bzw. in der heimischen NGO-Szene insgesamt ziemlich einzigartig. Darauf sind wir besonders stolz. Unterstützung junger Menschen bei ihrem Coming-out ist heute genauso aktuell wie vor 35 Jahren – und wird es wohl immer sein. Das zeigt auch der Erfolg unseres donnerstäglichen Jugendabends, der zu den bestbesuchten regelmäßigen Angeboten des Vereins zählt.“
Vernetzung
Ein besonderes Feature, das die HOSI Wien auszeichnet und ihr quasi in die Wiege gelegt worden ist, ist ihre Zusammenarbeit mit anderen alternativen und zivilgesellschaftlichen Bewegungen, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen. Die HOSI Wien hat immer danach getrachtet, über den eigenen Tellerrand zu schauen und die Forderungen anderer fortschrittlicher Bewegungen solidarisch zu unterstützen. In diesem Sinne beteiligte sich die HOSI Wien etwa in den 1980er Jahren an der Friedensbewegung, später in den 1990er Jahren im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, und auch im Jahr 2000 zögerte sie keine Sekunde, sich der Widerstandsbewegung gegen Blau-Schwarz anzuschließen.
Auch die internationale Vernetzung startete gleich nach der Gründung durch die Mitgliedschaft in der ILGA, dem internationalen LSBTI-Verband. Die HOSI Wien hat sich dabei in etlichen Projekten engagiert und an zahlreichen Konferenzen der OSZE, des Europarats, der UNO oder der EU teilgenommen. „Kein anderes ILGA-Mitglied hat übrigens mehr Tagungen für die ILGA ausgerichtet als die HOSI Wien, darunter drei Weltkonferenzen (1983, 1989 und 2008) – darauf sind wir ebenfalls besonders stolz“, betont Balbous, „genauso wie auf den NGO-Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der Vereinten Nationen, der uns 2013 zuerkannt wurde – denn bisher wurde erst rund einem Dutzend LSBT-Organisationen ein solcher Konsultativstatus zuteil.“
„Ein anderer wichtiger Bereich, in dem sich die HOSI Wien engagiert und nicht zuletzt bedeutsame Pionierarbeit geleistet hat, war der Kampf gegen AIDS, insbesondere in den 1980er Jahren“, betont Högl und erinnert damit auch an eine erste große Bewährungsprobe für den Verein, die er indes mit Bravour meisterte. „Neue Herausforderungen haben uns immer gereizt, und so haben wir uns 2003 auch entschlossen, relativ kurzfristig die Organisation der Regenbogenparade zu übernehmen – und ab 2004 jene des Regenbogenballs. Diese beiden für die positive Sichtbarkeit von LSBT-Personen so wichtigen Veranstaltungen zählen zu den aufwendigsten Einzelprojekten, die wir seither jedes Jahr durchführen.“
„Diese breitgefächerten Tätigkeitsfelder sind wohl auch das Erfolgsgeheimnis der HOSI Wien“, vermutet Balbous, „denn sie bieten interessierten MitstreiterInnen nicht nur inhaltlich eine große Auswahl an Möglichkeiten der ehrenamtlichen Mitarbeit, sondern auch in Hinblick auf den Umfang des persönlichen Engagements: So kann man kontinuierlich und sehr zeitintensiv etwa in einer Vorstandsfunktion tätig sein oder auch nur punktuell in begrenztem Zeitrahmen, etwa als Ensemblemitglied bei der vereinseigenen Theatertruppe ‚The HOSIsters‘, als AutorIn der LAMBDA-Nachrichten oder als MitarbeiterIn bei Ball, Parade oder anderen Projekten.“
„Wiewohl wir stolz und zufrieden Bilanz über unsere ersten 35 Jahre ziehen können, bleibt keine Zeit, uns auf den Lorbeeren auszuruhen. Denn es gilt, noch einige rechtliche Ziele in Sachen Partner- und Elternschaft sowie Diskriminierungsschutz umzusetzen, auch das Erkämpfte muss mitunter gegen Rückschläge verteidigt werden, und auf dem Gebiet der Aufklärung und Bewusstseinsbildung sowie bei der Coming-out-Unterstützung wird unsere Arbeit wohl auch in den nächsten Jahren nicht überflüssig werden“, resümiert Högl abschließend.
Einen ausführlicheren Überblick über diese Tätigkeitsbereiche und die wichtigsten Erfolge enthält die Festschrift, die wir aus Anlass unseres 35-jährigen Bestehens aufgelegt haben. Sie kann hier als PDF heruntergeladen oder in gedruckter Form im Büro der HOSI Wien angefordert werden.