Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Europa-Parlament verurteilt zunehmende rassistische und homophobe Gewalt in Europa und übt indirekt Kritik an Österreichs EU-Vorsitz

Bei der Anhörung zur Lage der Menschenrechte im Europäischen Parlament in Brüssel wurden auch VertreterInnen der ILGA-Europa empfangen.

Angesichts der zunehmenden rassistischen und homophoben Gewalt in etlichen Ländern Europas, insbesondere auch der homophoben Hetze und Gewalt in Polen und Russland, sah sich das Europäische Parlament nur fünf Monate nach Verabschiedung seiner Entschließung „zu Homophobie in Europa“ (vgl. Aussendung der HOSI Wien vom 18. Jänner 2006) veranlasst, dieses beängstigende Phänomen abermals im Rahmen einer Entschließung aufzugreifen und noch vehementer zu verurteilen.

Das Parlament verabschiedete gestern, am 15. Juni 2006, mit großer Mehrheit (301 Stimmen gegen 161 bei 102 Enthaltungen) eine Entschließung zur Zunahme rassistischer und homophober Gewalttaten in Europa.

Polen die Sanktions-Rute ins Fenster gestellt

„Im Gegensatz zur Jänner-Resolution hat das Europa-Parlament die betroffenen Länder diesmal auch beim Namen genannt“, erklärt dazu Kurt Krickler, Generalsekretär der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien und Vorstandsmitglied des europäischen Lesben- und Schwulenverbands ILGA-Europa. Sie hatte durch ihre Berichte und Stellungnahmen inhaltlich zu diesem Resolutionsantrag wesentlich beigetragen. Der Antrag wurde von vier Fraktionen gemeinsam eingebracht, nachdem zuvor jede ihren eigenen Antrag vorgelegt hatte.

Besonders scharf kritisiert werden darin Polen und Russland. „Polen wird offen die Sanktionsrute ins Fenster gestellt“, weist Krickler auf Punkt 4 der Entschließung hin, wo es heißt, die EU möge geeignete Maßnahmen ergreifen, „um ihre Sorge zum Ausdruck zu bringen und insbesondere die Frage der Regierungsbeteiligung der Liga der Polnischen Familien anzusprechen, deren Führer zu Hass und Gewalt auffordern“. Weiters erinnert das EP „Polen an seine Zusagen und Verpflichtungen im Rahmen der Verträge, insbesondere von Artikel 6 des EU-Vertrags, und weist auf mögliche Sanktionen im Falle von Verstößen hin“ und fordert „die Kommission auf, zu überprüfen, ob die Maßnahmen und Erklärungen des polnischen Bildungsministers mit Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union vereinbar sind“.

Kritik an Schüssel und Österreichs EU-Ratsvorsitz

Indirekt wird auch der EU-Ratsvorsitz Österreichs heftig kritisiert. So zeigt sich das Europäische Parlament „zutiefst enttäuscht darüber, dass führende Politiker der EU diese Frage beim Gipfeltreffen EU-Russland am 18. Mai nicht angesprochen haben“ (Punkt 6 der Entschließung). „Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte bei seinem Zusammentreffen mit Staatspräsident Wladimir Putin in Sotschi das Verbot der Lesben- und Schwulenparade in Moskau mit keinem Wort angesprochen“, erläutert Krickler – was auch die HOSI Wien in ihrer Medienaussendung am 2. Juni kritisiert hatte.

„Zudem“, so Krickler weiter, „bringt das Europäische Parlament im Punkt 7 der Resolution seine Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass beim Treffen mit den religiösen Führern Europas am 30. Mai, an dem neben mehreren Mitgliedern der EU-Kommission auch Ratsvorsitzender Schüssel teilnahm, verabsäumt wurde, die aktive Beteiligung russisch-orthodoxer Priester an der gewalttätigen Gegendemonstration gegen eine Kundgebung für die Versammlungsfreiheit am 27. Mai in Moskau zu verurteilen“ (vgl. Aussendung der HOSI Wien vom 28. Mai 2006).

Als einen Grund für Österreichs mangelnden Einsatz in dieser Angelegenheit nannte der italienische EP-Abgeordnete Vittorio Agnoletto von der „Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke“ in der bereits am Mittwoch stattgefundenen Debatte zu dieser Entschließung den Umstand, dass der österreichische EU-Ratsvorsitz durch die Beteiligung von Jörg Haiders „neofaschistischer Partei“ daran gehindert sei, mehr in dieser Frage zu tun, als er tun könnte.

„Auch die HOSI Wien wiederholt ihre Appelle an Außenministerin Ursula Plassnik, speziell gegenüber Polen und Russland energischer die Einhaltung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen einzufordern“, erklärt Krickler abschließend.

HINWEISE:
Der angenommene Text ist im vollen Wortlaut hier abrufbar.

Die österreichischen Abgeordneten stimmten wie folgt:
DAFÜR: Maria Berger, Herbert Bösch, Harald Ettl, Jörg Leichtfried, Christa Prets, Karin Scheele, Hannes Swoboda (SPÖ); Eva Lichtenberger (Grüne); Karin Resetarits (Liberale); Hans-Peter Martin (fraktionslos).
DAGEGEN: Othmar Karas, Hubert Pirker, Reinhard Rack, Paul Rübig (ÖVP); Andreas Mölzer (FPÖ);
NICHT ABGESTIMMT: Johannes Voggenhuber (Grüne); Agnes Schierhuber, Richard Seeber (ÖVP).

Schreibe einen Kommentar