SCHWERWIEGENDE UND ANHALTENDE MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN AN HOMOSEXUELLEN IN ÖSTERREICH – EINE CHRONOLOGIE
1. Juni 1995
Eine Novellierung des Opferfürsorgegesetzes zur Erweiterung des Begünstigtenkreises auf wegen ihrer sexuellen Orientierung Verfolgte scheitert im Nationalrat an ÖVP und FPÖ. Am selben Tag beschließt das Parlament die Gründung des “Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus”. Wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgte Personen werden darin zwar berücksichtigt, allerdings begründet der Fonds kein Recht auf Entschädigung, sondern kann bloß bedürftigen Opfern eine einmalige Summe gewähren.
27. November 1996
ÖVP und FPÖ stimmen einen Gesetzesvorlage zur Streichung des § 209 StGB, des diskriminierenden Mindestalters für schwule Männer, nieder.
8. April 1997
Das Europäische Parlament verabschiedet seinen Bericht und seine Entschließung über die Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union für das Jahr 1995 (Dokument A4-0112/97), dem ersten Jahr der Mitgliedschaft Österreichs in der EU. In Ziffer 140 der Entschließung fordert das EP Österreich auf, das unterschiedliche Mindestalter für schwule Beziehungen aufzuheben.
1. Juli 1997
In der Beschwerde # 25186/94 — Euan Sutherland gegen das Vereinigte Königreich — stellt die Europäische Menschenrechtskommission in Straßburg fest, daß keinerlei objektive und vernünftige Rechtfertigung für die Beibehaltung eines höheren Mindestalters für homosexuelle als für heterosexuelle Handlungen bestünde (Randnummer 66 der Entscheidung), und schließt, daß im vorliegenden Fall eine Verletzung des Artikles 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention vorliege (Randnummer 67). — Gegner einer Reform der ähnlichen österreichischen Bestimmung im § 209 bringen das formale Argument vor, diese Entscheidung betreffe das österreichische Gesetz nicht, da es sich um eine britische Beschwerde handelte, und daß sie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht bestätigt worden sei (die britische Regierung akzeptierte die Entscheidung der Kommission und hat sie daher nicht vor den Gerichtshof gebracht).
17. Februar 1998
Das Europäische Parlament verabschiedet seinen Bericht und seine Entschließung über die Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union für das Jahr 1996 (Dokument A4-0034/98). In Ziffer 69 der Entschließung fordert das EP Österreich abermals auf, das unterschiedliche Mindestalter für schwule Beziehungen aufzuheben.
17. Juli 1998
In voller Kenntnis der Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommis-sion und der zwei EP-Entschließungen vom 8. April 1997 und 17. Februar 1998 stimmen ÖVP und FPÖ im Nationalrat eine weitere Gesetzesvorlage zur Aufhebung des § 209 nieder.
17. September 1998
Das Europäische Parlament verabschiedet eine Entschließung zur Gleichberechtigung von Homosexuellen und Lesben in der Europäischen Union (Dokument B4-0824 und 0852/98). “In der Erwägung, daß EU-Mitgliedsstaaten wie Österreich aus Gründen der Glaubwürdigkeit gegenüber den Beitrittsstaaten, wenn sie von ihnen die Achtung der Menschenrechte fordern, ihre eigenen diskriminierenden Bestimmungen gegenüber Lesben und Schwulen aufheben müssen, insbesondere Bestimmungen über das Mündigkeitsalter” (Erwägung C) und “im Bedauern darüber, daß es das österreichische Parlament am 17. Juli 1998 abgelehnt hat, die Aufhebung des Paragraphen 209, der ein höheres Mündigkeitsalter für homosexuelle Männer vorsieht, zu beschließen, und damit bewußt sowohl den Beschluß im Fall Sutherland als auch die vom Europäischen Parlament in seinen vorstehend erwähnten Entschließungen vom 8. April 1997 und 17. Februar 1998 nachdrücklich an Österreich gerichteten Anforderungen ignoriert hat” (Erwägung G), fordert das Europäische Parlament in dieser Entschließung “die österreichische Regierung und das österreichische Parlament auf, Paragraph 209 des Strafgesetzbuchs unverzüglich aufzuheben und alle Personen, die aufgrund dieses Artikels Gefängnisstrafen verbüßen, unverzüglich zu begnadigen und freizulassen” (Ziffer 1).
5. November 1998
Nach seiner Befassung mit dem dritten von Österreich gemäß Artikel 40 des Internationalen Pakts über politische und bürgerliche Rechte vorgelegten periodischen Bericht stellt der UNO-Ausschuß für Menschenrechte in seinen abschließenden Bemerkungen fest, daß die bestehende Gesetzesbestimmung über das sexuelle Mindestalter in Hinblick auf männliche Homosexuelle eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung darstelle. Der Ausschuß verlangt die Änderung des Gesetzes zum Zwecke der Beseitigung solcher diskriminierender Bestimmungen (Randnummer 13).
17. Dezember 1998
Das Europäische Parlament verabschiedet seinen Bericht und seine Entschließung über die Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union für das Jahr 1997 (Dokument A4-0468/98). In Ziffer 53 der Entschließung wiederholt das EP die Forderung an Österreich, § 209 aufzuheben.
16. März 2000
Das Europäische Parlament verabschiedet seinen Bericht und seine Entschließung über die Achtung der Menschenrechte in der Europäischen Union für die Jahre 1998-99 (Dokument A5-0050/2000). In Ziffer 60 der Entschließung fordert das EP Österreich einmal mehr auf, § 209 aufzuheben und alle nach dieser Bestimmung inhaftierten Personen freizulassen.
7. April 2000
Auf einer Pressekonferenz anläßlich der offiziellen Eröffnung der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wien erklärte Nicole Fontaine, Präsidentin des Europäischen Parlaments, auf ein Journalistenfrage, daß die unterschiedliche Mindestaltersgrenze in der Tat eine Menschenrechtsverletzung darstelle und Österreich daher gegen den EU-Vertrag verstoße. Dies müsse der österreichischen Bundesregierung klargemacht werden, dies sei keine Einmischung in innere Angelegenheiten, sondern hier gehe es um die Achtung der Menschenrechte.
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