„Lesben und Schwule haben es in der Hand, die Nationalratswahl zu entscheiden – sie stellen zehn Prozent der Bevölkerung dar“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz.
„Auch für uns ist diese Wahl eine schicksalshafte Richtungswahl, die darüber entscheidet, ob wir weiterhin ein Dasein als BürgerInnen zweiter und dritter Klasse führen müssen oder endlich volle Gleichstellung und volle Menschenrechte erhalten. Angesichts des enormen Reformstaus rufen wir Österreichs Lesben und Schwule sowie ihre Angehörigen und FreundInnen auf – auch und gerade jene, die sich dem konservativen Lager zurechnen –, zumindest dieses eine Mal für eine fortschrittliche Mehrheit zu stimmen.“
Single-issue vote für lesbisch/schwule Anliegen
„Wir finden“, ergänzt Obmann Christian Högl, „daß alle anderen Überlegungen wenigstens einmal in den Hintergrund treten sollten. Auch konservative bürgerliche Schwule und Lesben sollten bei dieser Wahl ihre etwaigen Bedenken hinsichtlich rot-grüner Wirtschafts- oder Steuerpolitik beiseite legen und sich lieber darauf freuen, was Rot-Grün ihnen in gesellschaftspolitischer Hinsicht alles bringen würde. Die dringend nötigen Reformen sollten diesmal Grund sein, unabhängig von der sonstigen weltanschaulichen Einstellung Rot oder Grün die Stimme zu geben. Dieser Appell richtet sich ebenso an WählerInnen des Liberalen Forums, mit dessen Einzug in den Nationalrat wohl nicht zu rechnen ist.“
Eines ist für Pankratz klar: „Wir haben 19 Jahre schwarz-blaue Mehrheit im Parlament (seit 1983) und 16 Jahre Regierungsbeteiligung der ÖVP (seit 1986) hinter uns. Das waren für Lesben und Schwule verlorene Jahre des völligen rechtlichen Stillstands. Ohne fortschrittliche Wende wird es weder eine Entschädigung der NS-Opfer nach dem Opferfürsorgegesetz, noch ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz, noch die Eingetragene PartnerInnenschaft geben. Im Gegenteil: Für ÖVP-Khol und FPÖ-Schweitzer ist die ‚Homo-Ehe‘ ja Teil ihrer Greuelpropaganda gegen Rot-Grün!“
Historisches Beispiel
„Es gibt auch ein Beispiel in der jüngeren Geschichte, daß die kollektive Anstrengung funktionieren kann“, verweist Generalsekretär Kurt Krickler auf den Sieg Bruno Kreiskys 1971. Damals sind viele bürgerliche und konservative Lesben und Schwule über ihren parteipolitischen Schatten gesprungen und haben SPÖ gewählt und damit Kreisky die nötigen Stimmen für die absolute Mehrheit gebracht. Auch damals war Österreich Schlußlicht in Europa und der Leidensdruck groß – nur mehr fünf Staaten in Europa hatten noch ein solches Totalverbot und sperrten Lesben und Schwule ins Gefängnis. Heute sind wir wieder soweit: ÖVP und FPÖ haben Österreich wieder zu einem Schlußlicht in ganz Europa gemacht. Österreich hinkt der europäischen Entwicklung rund 15 Jahre hinterher. Für Lesben und Schwule ist daher nichts dringlicher, als endlich das Fenster für eine fortschrittliche Wende aufzustoßen. Voraussetzung dafür ist eine rot-grüne Mehrheit im Parlament und daß die ÖVP nicht in der Regierung vertreten ist.“