„Die heute nachmittag vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bekanntgegebenen Entscheidungen in drei Paragraph-209-Beschwerden gegen die Republik Österreich sind eine späte Genugtuung für Österreichs Lesben und Schwule“, erklärt Helga Pankratz, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien.
„Dass die strafrechtliche Diskriminierung durch § 209 eine Menschenrechtsverletzung ist, war allen demokratisch gesinnten Menschen in diesem Land, die Menschenrechte ernst nehmen, ohnehin schon lange klar. Die heutige Bestätigung aus Strassburg ist daher in erster Linie ein weiterer wohlverdienter Rüffel für jene Kräfte, die dafür verantwortlich sind, dass dieser Schandparagraph erst im Vorjahr aufgehoben wurde.“
Schüssels mangelndes Menschenrechtsverständnis
„Das betrifft in erster Linie Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der die Causa § 209 wiederholt zur Chefsache erklärt hatte“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Noch vergangenen Juni hatte er in den ‚Salzburger Nachrichten‘ erklärt, es wäre ihm auch egal, wenn Österreich das letzte Land mit diskriminierendem Mindestalter wäre. Kein anderer amtierender Regierungschef eines europäischen Landes würde es wagen, ein solches Menschenrechtsverständnis zu vertreten.“
„Bleibt jedenfalls zu hoffen, dass ihm die Urteile zu denken geben und er und seine Partei endlich zu einem unverkrampfteren Verhältnis zu Lesben und Schwulen finden“, meint Pankratz weiter. „Diese Einstellung, Menschen bestrafen, unterdrücken und diskriminieren zu wollen, nur weil sie anders sind, ist ja wirklich mittelalterlich und hat im 3. Jahrtausend eigentlich nichts mehr verloren. Der erste Schritt, ihre Homophobie sichtbar zu überwinden, wäre eine offizielle Entschuldigung Schüssels und der ÖVP bei allen Opfern der menschenrechtswidrigen Gesetze.“
Offizielle Entschuldigung erwartet
„Eine solche erwarten wir aber nicht nur von der ÖVP“, betont Högl, „sondern von der gesamten Republik, und nicht nur für die Opfer des § 209, sondern auch für jene, die bis 1971 unter dem strafrechtlichen Totalverbot weiblicher und männlicher Homosexualität gelitten haben und jahrelang im Gefängnis sitzen mussten. Hier wären die Verabschiedung einer diesbezüglichen Entschließung des Nationalrats und entsprechende Entschädigungsregelungen für die Verfolgten das Minimum an Wiedergutmachung.“
„Außerdem erwarten wir jetzt endlich auch positive Maßnahmen von der ÖVP, nämlich im Sinne von Gleichberechtigung und Gleichstellung. Neben einem modernen umfassenden Antidiskriminierungsgesetz bedeutet das die rechtliche Anerkennung und Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen PartnerInnenschaften“, so Pankratz. „Hier hätten Schüssel und die ÖVP die Gelegenheit, ihre historische Schuld gegenüber Lesben und Schwule abzutragen und nicht länger Menschen auch im Zivilrecht ‚zu bestrafen‘, nur weil sie anders sind.“
HINWEIS: Detaillierte Forderungen zur Entschädigung der Opfer der spezifischen strafrechtlichen Verfolgung der Homosexualität in Österreich finden sich in der Resolution der Generalversammlung 2002.
Zum Kampf gegen § 209 siehe auch unsere entsprechende Archiv-Abteilung.