Diese Woche übermittelte Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwaltsanwärterin in der Kanzlei Dr. Thomas Prader, die erste der vier Beschwerden Kurt Kricklers gegen die Republik Österreich an die Europäische Menschenrechtskommission.
Krickler fühlt sich durch die Urteile in den Outing-Verfahren gleich in drei durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantierten Grundrechten verletzt: im Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 10), im Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6) und im Recht auf Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (Artikel 14).
Bekanntlich wurde Krickler in den von den vier Bischöfen Kapellari, Küng, Laun und Schönborn angestrengten zivilrechtlichen Verfahren verurteilt, seine Aussage, diese Bischöfe hätten homosexuelle Neigungen, zu unterlassen und zu widerrufen, da es sich dabei um eine Ehrenbeleidigung handeln würde. „Meine Aussage ist eine wissenschaftliche Tatsache, denn seit Sigmund Freud weiß man, daß allen Menschen auch homosexuelle Neigungen innewohnen“, verteidigt sich Krickler: „Im Zivilverfahren beantragt ja der Kläger das Urteil, der Richter kann den Urteilsantrag von sich aus nicht ändern. Und der Antrag der Kläger lautete eben auf Widerruf der Äußerung, sie hätten homosexuelle Neigungen, und nicht auf Widerruf der Aussage, sie seien homosexuell oder hätten homosexuelle Handlungen begangen.“
Nur Folter und Scheiterhaufen…
„Letzteres wäre auch schwierig zu verlangen gewesen, denn eine derartige Aussage habe ich ja nie getan“, führt Krickler weiter aus: „Von mir jedoch den Widerruf einer wissenschaftlichen Tatsache und Wahrheit zu verlangen stellt ein Gefälligkeitsurteil der österreichischen Justiz dar, dem ich unmöglich entsprechen kann. Da müßte man mich schon foltern oder mit dem Scheiterhaufen bedrohen…!“ Galileo Galilei und Giordano Bruno lassen grüßen…
Diskriminierend und diffamierend ist die OGH-Argumentation
„Der Oberste Gerichtshof begründete sein für meinen Mandanten negatives Erkenntnis damit, daß im ‚Vorwurf‘ der Homosexualität eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs. 1 ABGB liege. Gerade aber eine solche Argumentation, daß nämlich praktizierte Homosexualität per se ehrbeleidigend sei, stellt in Wahrheit die eigentliche Ehrenbeleidigung dar. Denn damit wird rund eine halbe Million homosexueller BürgerInnen in diesem Land offen diskriminiert und diffamiert“, zeigt sich Mag. Nadja Lorenz, die Krickler in allen vier Verfahren in Straßburg vertreten wird, entsetzt über die Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichts. „Ich sehe darin eine Verletzung des Artikels 14 in Verbindung mit Artikel 10. Wie soll man sexuelle Orientierung im politischen Meinungsstreit denn frei thematisieren können, wenn Homosexualität per se als ehrbeleidigend qualifiziert wird? – Wobei hier nochmals betont sei, daß Krickler ja ausdrücklich nie von homosexuellen Praktiken gesprochen hat, die Gerichte hier also ohnehin völlig an der Sache vorbeiargumentiert haben.“
Was die inkriminierte Verletzung des Artikels 6 EMRK betrifft, so bezieht sich diese auf die Weigerung der österreichischen Gerichte, die von Krickler vorgeschlagenen Sachverständigengutachten einzuholen. Einerseits hätte ein sexualwissenschaftliches Gutachten mühelos darlegen können, daß Kricklers Tatsachenbehauptung wahr ist, andererseits hätte das von Krickler verlangte Gutachten aus dem Bereich der Meinungsforschung die aus einem anderen, früheren Verfahren aus 1995 stammende Ansicht des OGH, wonach homosexuelle Praktiken nach wie vor aufgrund der in der Gesellschaft vorherrschenden Wertvorstellungen stark diskriminiert seien, leicht widerlegen können, denn alle neueren Meinungsumfragen kommen zu ganz anderen Ergebnissen!
„Ich bin optimistisch, daß ich in Straßburg schließlich recht bekommen werde, obwohl sicherlich auch dort die Gefahr besteht, daß einzelne Richter in dieser Sache nicht objektiv und unparteiisch sind, sondern sich zum Handlanger der Kirche machen lassen“, meint Krickler: „Widerrufen werde ich meine Aussage jedenfalls sicherlich nie!“