„Wir begrüßen die heute vom Nationalrat beschlossene Novelle des Opferfürsorgegesetzes (OFG), durch die endlich auch die wegen ihrer Homosexualität verfolgten NS-Opfer anerkannt und rehabilitiert werden und einen Rechtsanspruch auf Entschädigung erhalten“, erklärt Bettina Nemeth, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. „Allerdings wird unsere Freude darüber durch den Umstand erheblich getrübt, dass die schwulen und lesbischen Opfer 60 Jahre auf diese Rehabilitierung warten mussten und dass die zynische Rechnung der Regierenden, die Sache möglichst so lange hinauszuziehen, bis keine Betroffenen mehr leben, aufgegangen ist.“
Alle abgewiesenen Opfer mittlerweile verstorben
„Denn man muss wohl“, so HOSI-Wien-Obmann Christian Högl ergänzend, „davon ausgehen, dass heute – wenn überhaupt – nur mehr einige wenige Betroffene leben, die nun einen Antrag stellen könnten. Umso wichtiger ist es daher jetzt, Betroffene über diese Gesetzesänderung rasch zu informieren. Wir appellieren in diesem Zusammenhang an die Massenmedien, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen. Alle homosexuellen NS-Opfer, die in der Vergangenheit Entschädigungsanträge nach dem OFG gestellt haben und deren Anträge – entgegen anders lautenden Behauptungen der Politik – ausnahmslos mangels bisheriger Rechtsgrundlage abgelehnt wurden, sind leider mittlerweile verstorben und können keine neuen Anträge mehr stellen.“
ÖVP-PolitikerInnen haben große Schuld auf sich geladen
„Die jetzige Gesetzesänderung kann daher auch die enorme Schuld nicht ungeschehen machen, die ÖVP-PolitikerInnen, allen voran Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, die Nationalratsabgeordneten Andreas Khol und Wilhelm Molterer und viele andere durch ihre bisherige Haltung, Lesben und Schwule wären zu Recht verfolgt und im KZ inhaftiert gewesen, auf sich geladen haben“, so Nemeth weiter, „aber wir rechnen ohnehin nicht, dass solche Leute von schlechtem Gewissen geplagt werden. Dennoch wäre eine öffentliche Entschuldigung für ihr Verhalten und Versagen in dieser Sache das Mindeste, was sie den von ihnen bisher verhöhnten Opfern schuldig wären, ein Rücktritt indes die moralisch einzig adäquate Reaktion, aber soviel Anstand werden wir bei diesen Politikern wohl nie erleben.“
Mit dieser Novellierung des OFG ist eine jahrzehntelange Forderung der HOSI Wien erfüllt worden. Seit über 20 Jahren hat sie sich federführend und vehement für die Aufnahme der wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten NS-Opfer ins OFG eingesetzt. Seit 1995 ist für das Scheitern dieses Vorhabens nur mehr die ÖVP verantwortlich gewesen. Sie hatte (ebenso wie die FPÖ) alle diesbezüglichen Anträge der Grünen und der SPÖ, die seit damals in allen Legislaturperioden im Nationalrat eingebracht worden sind, abgelehnt (ein ausführlicher Beitrag über die Bemühungen, das OFG entsprechend zu novellieren, findet sich in der Online-Ausstellung „Aus dem Leben“ auf www.ausdemleben.at).
Später hinzugefügte Anmerkung: Siehe dazu auch unsere Aussendung vom 20. Jänner 2006.