„Österreichs Homosexuelle haben heute, am Internationalen Tag der Menschenrechte, an dem auch das 50-Jahres-Jubiläum der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen wird, wenig Grund zum Feiern“, erklärt Waltraud Riegler, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. „Daß in Österreich die Menschenrechte von Lesben und Schwulen immer noch massiv verletzt werden, ist aber auch eine Schande für das ganze Land und daher hat wohl auch Österreich nicht wirklich Grund zum Feiern.“
Ständig am Pranger internationaler Menschenrechtsinstanzen
Wegen § 209 Strafgesetzbuch, der ein diskriminierend höheres Mindestalter für homosexuelle Handlungen vorsieht (1997 wurde ein solches von der Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention eingestuft), wird Österreich immer wieder von internationalen Menschenrechtsinstanzen und vom Europa-Parlament gerügt.
UNO-Menschenrechtsausschuß verlangt Streichung des § 209
„Erst im Vormonat“, so HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, „wurde Österreich vom UNO-Menschenrechtsausschuß anläßlich der Prüfung seines dritten nach Artikel 40 der UNO-Menschenrechtskonvention vorgelegten Berichts über die Fortschritte bei der Umsetzung der Konvention wegen des unterschiedlichen Mindestalters gerügt.“ Die HOSI Wien hatte den Ausschuß durch einen Alternativ-Bericht auf die Menschenrechtsverletzungen durch § 209 aufmerksam gemacht. In seinen abschließenden Bemerkungen hat der Ausschuß am 5. November schließlich festgestellt, daß § 209 „eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung“ darstellt und gefordert, „daß das Gesetz geändert und diese diskriminierende Bestimmung aufgehoben wird“. Diese Aufforderung war einer von dreizehn Hauptkritikpunkten an Österreich!
Österreich demnächst zum viertenmal vom Europa-Parlament verurteilt
„Und nächste Woche“, ergänzt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler, „wird Österreich aller Wahrscheinlichkeit nach zum viertenmal innerhalb von zwei Jahren vom Europäischen Parlament verurteilt werden, denn in Straßburg steht die Verabschiedung des Berichts über die Achtung der Menschenrechte in der EU für das Jahr 1997 auf der Tagesordnung. Mehrere Fraktionen haben bereits entsprechende Abänderungsanträge zum Resolutionsentwurf eingebracht. Nachdem erst vergangenen September Österreich vom EP aufgefordert worden war, § 209 abzuschaffen und alle nach dieser Bestimmung inhaftierten Gefangenen unverzüglich freizulassen, steht eine weitere Verurteilung Österreichs während seiner EU-Präsidentschaft bevor. Es ist wohl das erstemal, daß ein EU-Vorsitzland gleich zweimal während seiner Präsidentschaft vom Europa-Parlament wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen verurteilt wird – eine Blamage und Riesenpeinlichkeit für das Land!“
Sofortige Freilassung aller 209er-Gefangenen gefordert
Die HOSI Wien schließt sich der Aufforderung des Europa-Parlaments an und verlangt aus Anlaß des heutigen Tags der Menschenrechte abermals die sofortige Freilassung aller wegen § 209 inhaftierten (sexual-)politischen Gefangenen, die Niederschlagung sämtlicher neuer Verfahren sowie die sofortige Abschaffung des Schandparagraphen.