Heute Abend wird der irische Ministerpräsident Leo Varadkar gemeinsam mit seinem Lebenspartner Matthew Barrett Gast von Bundeskanzler Sebastian Kurz am Opernball sein. „Wir hoffen, Varadkar wird bei dieser Gelegenheit seinem Amtskollegen aus erster Hand bestätigen, dass selbst eine sehr katholische Gesellschaft wie die irische die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare unbeschädigt und problemlos verkraftet hat, und dadurch entsprechende Überzeugungsarbeit bei Kurz leisten“, erklärt Lui Fidelsberger, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien aus diesem Anlass.
„In wirtschafts- und sozialpolitischer Hinsicht hingegen müssen die beiden voneinander vermutlich nichts mehr lernen“, ergänzt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Der offen schwule Premier Varadkar – seine Partei Fine Gael gehört ebenfalls der Familie der europäischen Volksparteien an – ist wegen seiner neoliberalen und unsozialen Politik auch unter irischen Lesben und Schwulen nicht unumstritten. Hier sind sogar die rhetorischen Übereinstimmungen zwischen Kurz und Varadkar frappierend.“
Als Sozialminister war Varadkar für eine Plakatkampagne gegen „Sozialbetrüger“ verantwortlich Die Bevölkerung wurde dazu aufgerufen, „Sozialschmarotzer“ zu melden. Eine ähnliche Kampagne gegen Steuerbetrüger (samt Denunziationsaufruf) gab es typischerweise nicht, obwohl Steuerhinterziehung viel mehr Schaden anrichtet. Kurz wiederum spricht von „Durchschummlern“ und Ausnützern des Sozialsystems.
Auch gegen die explodierenden Wohnungsmieten und -preise haben die beiden ähnliche Rezepte, die in ihrer Realitätsferne an Marie-Antoinette gemahnen. Varadkar empfiehlt jungen Menschen, Geld von den Eltern zu borgen, wenn sie selbst kein Geld zum Studieren oder Wohnen haben. Kurz rät zur Anschaffung von Wohnungseigentum, um der Altersarmut zu entrinnen.
Gleichzeitig bemühen sich aber beide, dass die Reichen reich bleiben bzw. noch reicher werden. Varadkar weigert sich ja weiterhin, von Apple die 13 Milliarden Euro Steuernachzahlung einzutreiben, wie dies die EU-Kommission von Irland verlangt. Kurz, der sich bei „Maischberger“ bitter über die „Hetze gegen die Reichen“ beklagt, sorgt indes dafür, dass sie auch in Zukunft keinen Cent Erbschaftssteuer zahlen müssen, von einer Vermögenssteuer ist sowieso keine Rede.
„Diese Politik gegen die Ärmsten und sozial Schwächsten trifft natürlich auch viele – vor allem junge – Lesben und Schwule und erhöht deren Armutsrisiko“, gibt Fidelsberger zu bedenken. „Es liegt auf der Hand und wird auch durch Studien belegt, dass die Lebenssituation von Menschen, die ohnehin durch Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität marginalisiert werden, durch soziale Ausgrenzung noch weiter verschärft wird.“
Über Armutsgefährdung bei LSBT-Personen gibt es bereits einige Studien, u. a.:
http://www.combatpoverty.ie/publications/PovertyLesbiansAndGayMen_1995.pdf
https://www.iser.essex.ac.uk/research/publications/working-papers/iser/2014-02.pdf