„Wir sind höchst erfreut, dass Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats, im gestern veröffentlichten Bericht über seinen Besuch in Österreich Forderungen der HOSI Wien aufgegriffen hat und diese unterstützt“, erklärt Obmann Christian Högl, der für die HOSI Wien am Treffen zwischen NGO-VertreterInnen und Hammarberg am 21. Mai 2007 in Wien teilnahm.
„Insbesondere freuen wir uns über seine Empfehlung, Österreich möge die strafrechtlichen Bestimmungen gegen Verleumdung aufheben und die zivilrechtlichen Bestimmungen überprüfen, um sicherzustellen, dass keine überschießenden Sanktionen verhängt werden.“ [Siehe insbesondere Randnummer 43 und Empfehlung Nr. 8.]
Die Abschaffung bzw. Reform der §§ 111 und 115 StGB (üble Nachrede und Ehrenbeleidigung) ist nicht nur eine Forderung der HOSI Wien, sondern auch Beschlusslage des Europarats und der OSZE. Bereits am 4. Oktober 2007 hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats eine entsprechende Entschließung verabschiedet, mit der alle 47 Mitgliedsstaaten des Europarats aufgefordert werden, unverzüglich Freiheitsstrafen für Verleumdungstatbestände abzuschaffen (Punkt 17.1). [Der entsprechende Bericht dazu (Dok. 11305) – verfasst vom sozialdemokratischen Abgeordneten Jaume Bartumeu Cassany aus Andorra für den Ausschuss für Recht und Menschenrechte – war bereits am 25. Juni 2007 veröffentlicht worden.]
Justizministerin Berger gefordert
„Diese Forderung ist uns deshalb ein so wichtiges Anliegen, weil die HOSI Wien selbst Opfer dieser Bestimmungen wurde. Zwar haben wir die Klagen des Ex-ÖVP-Abgeordneten Walter Tancsits vergangenen Juli letztendlich gewonnen, aber die Vorfinanzierung der Verfahren war nur unter Aufbietung all unserer finanziellen Reserven und durch eine Darlehensaufnahme möglich“, berichtet Obfrau Ute Stutzig. „Das gesamte Prozessrisiko belief sich immerhin auf rund 25.000 Euro, da wir sowohl straf- als auch zivilrechtlich geklagt wurden. Es ist völlig inakzeptabel, dass kritische NGOs Selbstzensur üben oder auf Kritik und die Inanspruchnahme ihrer Menschenrechte verzichten müssen, um sich ja nicht dem Risiko einer existenzvernichtenden Klagsflut durch kritisierte PolitikerInnen auszusetzen. Diese – insbesondere von der FPÖ praktizierte – Methode, KritikerInnen durch zivil- und strafrechtliche Klagen bewusst mundtot zu machen bzw. in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben, haben ja bereits die drei von den EU-14 im Jahr 2000 eingesetzten Weisen in ihrem Bericht angeprangert.“ [Anmerkung: Siehe insbesondere die Punkte 93, 96, 97, 98 sowie 100-103 des Weisenberichts.]
„Wir haben Hammarbergs Bericht zum Anlass genommen, neuerlich an Justizministerin Maria Berger zu appellieren, den Empfehlungen des Europarats in dieser Frage so rasch wie möglich nachzukommen“, ergänzt Högl. „Dringender Handlungsbedarf besteht auch in Sachen Antidiskriminierung. Auch hier hat Hammarberg eine HOSI-Wien-Anregung übernommen: Er empfiehlt den österreichischen Behörden, ‚die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung zusammenzufassen und effiziente, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorzusehen‘. [Empfehlung Nr. 14.] Eine solche Vereinheitlichung des Diskriminierungsschutzes hat übrigens der UNO-Menschenrechtsausschuss bereits vergangenen Oktober von Österreich verlangt.“ [Vergleiche Aussendung vom 5. November 2007]
Protokoll 12 zur EMRK wichtiger als EU-Grundrechtecharta
In seinem Bericht fordert Hammarberg auch die Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch Österreich. [Empfehlung Nr. 1] „Dieses Zusatzprotokoll sieht ein allgemeines Diskriminierungsverbot vor, unabhängig von einzelnen, in der Konvention ausdrücklich vorgesehenen Menschenrechten“, erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Es ist eine Schande, dass Österreich dieses Protokoll aus dem Jahr 2000 immer noch nicht ratifiziert und damit für Österreich bindend gemacht hat. Für die BürgerInnen wäre dies viel wichtiger als die EU-Grundrechtecharta, die heute mit dem EU-Reformvertrag unterzeichnet wird. Denn im Gegensatz zu dieser Charta, deren Nichtdiskriminierungsartikel [Nr. 21] nur für die Anwendung von EU-Recht durch die EU-Institutionen und die Mitgliedsstaaten gilt [Artikel 51], würde das allgemeine Diskriminierungsverbot des Zusatzprotokolls auf alle Rechtsbereiche anwendbar sein, also auch auf jene, die nicht in die Zuständigkeit der EU fallen, etwa das Familienrecht. Wenn Bundeskanzler Gusenbauer und Außenministerin Plassnik jetzt die Bedeutung der EU-Grundrechtecharta besonders hervorheben, zugleich jedoch Österreich das Protokoll 12 zur EMRK nicht ratifiziert, machen sie sich in höchstem Maße unglaubwürdig.“
ANMERKUNG: Im Gegensatz zur EU-Grundrechtecharta ist „sexuelle Orientierung“ als zu schützender Grund im Protokoll 12 zur EMRK nicht ausdrücklich angeführt, aber im Begriff „anderer Status“ mitgemeint, wie auch aus den Erläuterungen zu diesem Protokoll eindeutig hervorgeht (Randnummer 20).