Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs


Wir wollen heiraten!

ACHTUNG: Dieser Text ist vor dem Hintergrund zu lesen, dass er vor der Einführung der Eingetragenen Partnerschaft ab 1. Jänner 2010 geschrieben wurde!

Neu – alle Forderungen und ein Überblick über den Status quo in Österreich und Europa zum Download: wirwollenheiraten.pdf

Positionen und Forderungen der HOSI Wien

Die HOSI Wien tritt für eine Eingetragene PartnerInnenschaft nach nordischem Modell als schwul/lesbisches Äquivalent zur Ehe ein, also nur für gleichgeschlechtliche Paare. Das hat einerseits prinzipielle Gründe (stünde die EP auch für heterosexuelle Paare offen, dann hätten diese eine Wahlmöglichkeit mehr zur Ausgestaltung ihrer Beziehung als Lesben und Schwule, was eine Ungleichbehandlung wäre), andererseits pragmatische: Alles, was in der Realität zu einer kalten Abschaffung der Ehe führt – also auch eine Eingetragene PartnerInnenschaft (EP), die für Heteros eine viel attraktivere „Ehe light“ wäre –, wäre politisch in absehbarer Zeit nicht durchsetzbar. Die EP damit zu überfrachten, sie auch für Heteros zu wollen, würde die Einführung der EP für Lesben und Schwule nur be-, wenn nicht sogar verhindern.

Grundsätzlich sollen für die EP genau dieselben Rechte und Pflichten gelten wie für die Ehe. Allerdings müssen für die EP manche Rahmenbedingungen anders gestaltet werden als für die Ehe – z. B. die Scheidungsbestimmungen. Wie man durch den prominenten Fall Klestil weiß, kann in Österreich ein Ehegatte eine Scheidung bis zu sechs Jahre blockieren. Derartige Rahmenbedingungen für die EP zu übernehmen wäre Unsinn. Keine Lesbe und kein Schwuler, die/der halbwegs bei Trost ist, würde sich unter diesen Umständen auf eine EP einlassen.

Öffnung der Ehe nur nach Reform des Eherechts

Daher hat es in Österreich auch keinen Sinn, solange die Ehegesetze nicht entsprechend reformiert werden, wie in den Niederlanden, Belgien oder Spanien die Öffnung der bestehenden standesamtlichen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu verlangen bzw. die vollständige Blaupause der Ehe auf die EP. Auf eine solche Gleichstellung können Lesben und Schwule sicherlich gerne verzichten.

Wenn wir von der „Lesben- und Schwulenehe“ (bzw. seltener der „Homo-Ehe“) reden, meinen wir daher immer die EP – denn sonst könnten wir ja gleich von der Ehe reden. Obwohl viele meinen, die Verwendung dieser Begriffe wäre kontraproduktiv, sollte man sie dennoch benützen, um damit auch der Öffentlichkeit klar zu machen, dass wir im Prinzip und tatsächlich alle mit der Ehe verbundenen Rechte und Pflichten wollen. Darüber sollte es kein Missverständnis geben. Dass wir das – wie in Skandinavien und den Niederlanden – nicht alles gleich im ersten Anlauf bekommen werden, damit müssen wir wohl rechnen und uns darauf einstellen. Adoption und Witwen-/Witwerrente etwa werden sicherlich kontroversielle Punkte sein.

Gleichstellung mit den Lebensgemeinschaften selbstverständlich

Mit der Einführung der EP muss natürlich auch die grundsätzliche Anerkennung und Gleichstellung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Lebensgemeinschaften einhergehen. Das heißt, alle Rechte, die schon heute für unverheiratete verschiedengeschlechtliche LebensgefährtInnen gelten, müssen dann eindeutig auch für gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen gelten, die keine EP eingehen wollen.

Theoretisch sind in Österreich die Lebensgemeinschaften ohnehin schon gleichgestellt. Grundlage für diese „theoretische“ Gleichstellung ist das bahnbrechende und richtungsweisende Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Juli 2003 in der von der HOSI Wien mitbetreuten Beschwerde Karner gegen Österreich. Es betrifft die diskriminierende Auslegung jener Bestimmung im Mietrecht, die dem hinterbliebenen Lebensgefährten das Recht einräumt, in den Mietvertrag des verstorbenen Hauptmieters einzutreten. Die HOSI Wien hat sofort nach dieser Entscheidung auf deren grundlegende, über das Mietrecht hinausreichende Bedeutung hingewiesen, denn in dem Urteil heißt es ausdrücklich, eine rechtliche Differenzierung aufgrund des Geschlechts bzw. der sexuellen Orientierung – und damit eine Ungleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften – stelle nur dann keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar, wenn von Seiten des Gesetzgebers „schwerwiegende“ Gründe für eine solche Differenzierung ins Treffen geführt werden können.

Bei sämtlichen für Lebensgemeinschaften relevanten Rechtsbereichen ist es jedoch faktisch ausgeschlossen, „schwerwiegende“ Gründe zu finden, warum die entsprechenden Rechte auf verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften beschränkt werden müssen. Man kann also getrost davon ausgehen, dass jedwede Ungleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften menschenrechtswidrig und daher zu beseitigen ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat aus dem Karner-Urteil des EGMR die Konsequenzen gezogen und im Oktober 2005 die Einschränkung der Mitversicherungsmöglichkeit von LebensgefährtInnen in der gesetzlichen Sozialversicherung auf verschiedengeschlechtliche LebensgefährtInnen als verfassungswidrig aufgehoben. Zuvor (1998, 2000) hatte der VfGH darin keine Verfassungswidrigkeit erkennen wollen. Aufgrund dieses VfGH-Urteils war das Parlament gezwungen, die Mitversicherungsmöglichkeit in den gesetzlichen Sozialversicherungen für verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gleichzustellen, was mit dem am 12. Juli 2006 verabschiedeten und am 1. August 2006 in Kraft getretenen Sozialrechts-Änderungsgesetz (SRÄG) 2006 schließlich erfolgte.

Jedoch nur die Lebensgemeinschaften gleichzustellen wäre zuwenig und brächte im Einzelfall mitunter mehr Nach- als Vorteile. Und vor allem für Lesben und Schwule besonders wichtige, weil häufig benötigte Rechte blieben dabei ausgeschlossen, etwa im Fremdenrecht (ausländische/r Partner/in) oder im Erbrecht (kein gesetzliches Erbrecht, kein Pflichtteil). Zu den einzelnen Unterschieden siehe Der Status quo in Österreich.

Keine halben Lösungen

Auf keinen Fall werden wir uns auch mit Angleichungen in einzelnen Gesetzen zufrieden geben, also etwa im Erb- oder Steuerrecht. Ebensowenig mit einer Lösung wie dem deutschen Lebenspartnerschaftsgesetz oder gar dem französischen PaCS. Diese sind inakzeptabel. Von der deutschen Regelung sind wichtige Bereiche nicht erfasst, der PaCS wiederum sieht z. B. mehrjährige Anwartszeiten vor. Das heißt, die PartnerInnen können – im Gegensatz zu Ehepaaren – erst einige Jahre nach PaCS-Schließung in den Genuss gewisser Rechte kommen und nicht sofort!

Das nordische Modell hat sich seit mehr als 20 Jahren bestens bewährt. Man arbeitet daran, die letzten Unterschiede zwischen EP und Ehe zu beseitigen. Weder in den nordischen Staaten noch in den Niederlanden oder Belgien, wo die standesamtliche Ehe geöffnet wurde, gibt es nennenswerte Stimmen von Lesben und Schwulen (oder Heteros), denen zufolge diese Rechtsinstitute nicht ausreichend seien und es noch zusätzlicher Rechtsinstitute oder rechtlicher Absicherungen für andere Lebensformen bedürfe. Wir haben übrigens eine umfassende Übersicht über die europäischen Entwicklungen auf diesem Gebiet erstellt.

Bei Erfüllung unserer Forderungen hätten Lesben und Schwule dann wie Heterosexuelle drei Optionen zur Ausgestaltung ihrer Beziehungen: eine Verbindung ohne jegliche rechtliche Konsequenz, Zusammenleben als LebensgefährtInnen oder Eingehen einer EP als Äquivalent zur Ehe.

Die HOSI Wien setzt sich seit 1989 für die Eingetragene PartnerInnenschaft ein, wie in dieser groben Chronik der vielfältigen Aktivitäten seit 1989 nachzulesen ist.