Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs


Kommentar

Signalwirkung am wichtigsten

Von Kurt Krickler

Aus: Stimme von und für Minderheiten, Zeitschrift der Initiative Minderheiten, Nr. 37 (2000)

Für Lesben und Schwule brächte ein Antidiskriminierungsgesetz nicht nur konkreten rechtlichen Schutz, es wäre auch ein deutliches Signal an die Gesellschaft, dass negative Einstellungen gegenüber Homosexuellen nicht mehr akzeptabel und zeitgemäß sind. Allerdings kann ein solches Gesetz kein Allheilmittel sein – zusätzlich bedarf es weiterer Gesetzesänderungen zur Gleichstellung mit Heterosexuellen.

Da Österreich über keinerlei moderne Antidiskriminierungsbestimmungen verfügt, genießen auch Lesben und Schwule keinerlei gesetzlichen Schutz vor Ungleichbehandlung, Benachteiligung und offener Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Sie wären daher eine der Gruppen, die von einem derartigen Gesetz profitieren würden. Durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union kommt Österreich jetzt unter Zugzwang. Österreich ist allerdings in dieser Hinsicht gar keine so große Ausnahme: Nur dreizehn der 45 Länder Europas (darunter allerdings acht der 15 EU-Staaten) haben AD-Bestimmungen, die auch „sexuelle Orientierung“ ausdrücklich als schutzwürdiges Merkmal beinhalten: Norwegen, Frankreich, Dänemark, Schweden, Irland, Niederlande, Slowenien, Finnland, Spanien, Island, Luxemburg, Tschechische Republik und Bosnien-Herzegowina/Republika Srpska (chronologische Aufzählung hinsichtlich der Einführung der spezifisch lesbisch/schwulen Schutzbestimmungen). Darüber hinaus verbietet in der Schweiz die neue Verfassung aus 1999 jegliche Ungleichbehandlung aufgrund der „Lebensform“.

Im November 2000 haben die EU-Mitgliedsstaaten einstimmig, also auch mit der Stimme Österreichs, eine auf Artikel 13 EG-Vertrag beruhende Richtlinie verabschiedet, die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf u. a. aufgrund der sexuellen Orientierung ächtet. Die Mitgliedsstaaten müssen diese Richtlinie nun bis Dezember 2003 in nationales Recht umsetzen. Außerdem wurde auf dem EU-Gipfel in Nizza die Charta der Grundrechte der EU verabschiedet, die im Artikel 21 ein allgemeines Diskriminierungsverbot u. a. auch aufgrund der sexuellen Orientierung festschreibt. Diese Charta gilt allerdings nur für die Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch die EU-Institutionen und die Mitgliedsstaaten und ist überdies noch nicht rechtsverbindlich.

Es stellt sich die Frage, warum die ÖVP-FPÖ-Regierung auf EU-Ebene diesen Rechtsvorschriften zustimmt, während sie für ein umfassendes österreichisches AD-Gesetz nicht zu begeistern ist? Offenbar ist sie der Ansicht, ihren WählerInnen ein solches Gesetz nicht gut verkaufen zu können, daher tut man so, als sei wieder einmal Brüssel schuld. Aber wie in all den Angelegenheiten, die man Brüssel in die Schuhe schiebt, waren es natürlich auch hier die nationalen Regierungen, die – an den nationalen Parlamenten vorbei – die Entscheidungen in Brüssel getroffen haben. Allerdings wäre es für einzelne Länder auch schwierig, in solchen Fragen ein Veto zu argumentieren und zu rechtfertigen.

Für Lesben und Schwule erweist sich Österreichs Mitgliedschaft in der EU jedenfalls als Segen, denn ohne die EU-Beschäftigungsrichtlinie käme es in diesem Land bis 2003 wohl nicht zu Rechtsvorschriften, die auch sie vor Diskriminierung schützen sollen. Diese Richtlinie kann jedoch nur ein erster Schritt sein, denn sie beschränkt sich ja auf den – allerdings im Alltag sicherlich wichtigsten – Bereich der Arbeitswelt – im Gegensatz zur ebenfalls im Vorjahr verabschiedeten zweiten Artikel-13-Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der rassischen oder ethnischen Herkunft, die auch andere Bereiche umfasst, wie etwa den Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Leider haben die EU-Kommission durch ihre Vorschläge und die EU-Staaten durch ihre Beschlüsse hier eine Hierarchie beim Schutz vor Diskriminierung geschaffen.

Diese Hierarchie wieder zu beseitigen sollte das Ziel der österreichischen Bemühungen zur Schaffung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes sein. Gerade im Bereich der Bereitstellung von und des Zugangs zu Waren und Dienstleistungen kommt es beispielsweise immer wieder zu Diskriminierungen von Lesben und Schwulen: bei der Vermietung von Wohnungen, Hotelzimmern, bei Ermäßigungen aller Art für Paare etc. Die beiden EU-Richtlinien sind ja ohnehin nur als ein absolutes Minimum zu verstehen, das die Mitgliedsstaaten verwirklichen müssen – kein Land wird jedoch daran gehindert, weitreichendere Vorschriften zu erlassen. Dass sich Österreichs Parlament und Regierung bis 2003 mit dieser Frage beschäftigen müssen, ist eine einmalige Chance für alle betroffenen Gruppen und NGOs, gemeinsam Lobbying für ein umfassendes AD-Gesetz zu betreiben.

Dass die beiden Richtlinien so rasch beschlossen wurden – immerhin ist die rechtliche Grundlage dafür, nämlich der erwähnte Artikel 13 EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertrags, erst am 1. Mai 1999 in Kraft getreten –, ist übrigens nicht unwesentlich Jörg Haider und der Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verdanken. Durch den dadurch ausgelösten Schock in ganz Europa sahen sich die EU-Regierungen zum raschen Handeln veranlasst – und die FPÖVP-Regierung musste stillhalten und den Musterknaben spielen. InsiderInnen und KennerInnen der EU waren jedenfalls vom Tempo, mit der diese ersten Maßnahmen auf Basis des Artikels 13 EGV umgesetzt worden sind, äußerst überrascht: „speed kills“.

Ein Punkt, der im Zusammenhang mit einem AD-Gesetz zu diskutieren ist und der im vorliegenden Entwurf des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte aber bewusst nicht berücksichtigt wurde, ist die Bekämpfung von Verhetzung bzw. Aufwiegelung zur Hetze gegen bestimmte Gruppen. Eine rechtliche Handhabe gegen homophobe Hetze könnte etwa durch eine Novellierung des Verhetzungsparagraphen (§ 283 StGB) geschaffen werden, indem „sexuelle Orientierung“ darin aufgenommen wird. Überhaupt ist festzuhalten, dass ein AD-Gesetz nicht alle Benachteiligungen erfassen und keine völlige Gleichstellung von Homo- mit Heterosexuellen herstellen kann. Weitere flankierende Maßnahmen, die der spezifischen rechtlichen Situation von Lesben und Schwulen Rechnung tragen, sind daher erforderlich. Die Absicherung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften wird zum Beispiel ein allgemeines AD-Gesetz nicht leisten können. Dafür müssen andere gesetzlichen Regelungen geschaffen werden.

Was können sich nun Lesben und Schwule von einem derartigen Gesetz konkret erwarten? Obwohl die Möglichkeit, sich gegen Benachteiligung und Diskriminierung rechtlich wehren zu können, nicht unterschätzt werden sollte, liegt wohl die Bedeutung eines solchen AD-Gesetzes für Lesben und Schwule vor allem in dem starken Signal, das es aussendet. Das zeigen auch die ausländischen Beispiele. In Norwegen, das 1981 als erstes Land der Welt Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe stellte, gab es z. B. seither nicht mehr als ein paar Einzelfälle, die vor Gericht kamen. Realistischerweise muss man wohl auch damit rechnen, dass gerade Arbeitgeber dann einfach subtiler vorgehen werden, wenn sie Lesben und Schwule nicht anstellen, nicht befördern oder eben kündigen wollen, damit eine Diskriminierung nicht nachgewiesen werden kann. Dennoch sollte man die Signalwirkung eines solchen Gesetzes nicht unterschätzen. Es trägt sicherlich zur Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung bei, wodurch Diskriminierung im Allgemeinen und aufgrund der sexuellen Orientierung im Besonderen – weil eben ausdrücklich gesetzlich verpönt und geächtet – mitunter von vornherein unterbleibt. Die Haltung der Bevölkerung gegenüber Homosexuellen wird wohl ohne Zweifel ebenfalls durch den Umstand beeinflusst werden, dass ein Diskriminierungsverbot gesetzlich verankert ist und nicht mehr bloß das Anliegen politisch korrekter Gutmenschen ist – selbst, wenn die Leute gar keine unmittelbare Gelegenheit hätten, gegen das Verbot zu verstoßen.

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