Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Demonstration gegen Homophobie in Polen

Die DemonstrantInnen vor dem Polnischen Institut in Wien (mit Mikrophon: Nationalratsabgeordnete Ulrike Lunacek, rechts neben ihr der Wiener Landtagsabgeordnete Marco Schreuder). Weitere Fotos in einer Galerie zum Anklicken am Ende des Textes

Am 9. Dezember 2005 fand vor dem Polnischen Institut im 1. Wiener Gemeindebezirk eine von den Grünen andersrum organisierte Solidaritätskundgebung für die Lesben und Schwulen in Polen statt, die immer mehr unter politischen und gesellschaftlichen Druck geraten, seit die rechtsextreme Partei Prawo i Sprawiedliwość (PiS – Recht und Gerechtigkeit) die totale Macht im Land übernommen hat. PiS gewann nicht nur die Parlamentswahlen vergangenen September, sondern ihr Kandidat Lech Kaczyński wurde im Oktober auch zum neuen Staatspräsidenten gewählt.

Sein Zwillingsbruder Jarosław ist Vorsitzender der PiS-Partei und selber homosexuell (der 56-jährige kinderlose Junggeselle lebt immer noch bei seiner Mutter), was ihn aber nicht davon abhält, homophobe Aussagen in der Öffentlichkeit zu tätigen.

Homophobe Gewalt nimmt zu

Im Vorjahr und heuer hat Lech Kaczyński als Warschauer Bürgermeister die Parade für Gleichheit, Parada Równości, untersagt – dieses Jahr fand sie jedoch trotz Verbots statt. Im Mai 2004 wurden die TeilnehmerInnen der Lesben- und Schwulenparade in Krakau vom katholischen und Neo-Nazi-Mob mit Steinen und Flaschen beworfen. Heuer wurde die Krakauer CSD-Demo erst gar nicht genehmigt. Und am 19. November 2005, dem Internationalen Tag der Toleranz, kam es in Posen zu gewalttätigen Zwischenfällen bei einer Kundgebung für Toleranz, zu der schwul-lesbische und feministische Organisationen sowie polnische Grüne aufgerufen hatten. Die ordnungsgemäß angemeldete und zuerst genehmigte Demonstration wurde nach massivem Druck der PiS und der rechts-nationalistischen Liga Polskich Rodzin (LPR – Liga der polnischen Familien) vom Posener Bürgermeister Ryszard Grobelny verboten. Die friedliche Kundgebung fand dennoch statt, wurde aber von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Rund 60 TeilnehmerInnen wurden festgenommen. Sie wurden zwar wieder freigelassen, aber ihnen drohen hohe Verwaltungsstrafen. Der Jugendverband der LPR, die „All-Polnische Jugend“ (Młodzież Wszechpolska), tut sich übrigens nicht nur durch verbale Attacken auf Lesben und Schwule hervor, sondern hat auch immer wieder gewalttätige Gegendemonstrationen gegen die CSD-Veranstaltungen organisiert.

Polens Lesben und Schwule in Angst und Panik

Schon im Wahlkampf für die Präsidenten- und Parlamentswahlen hat die Pis-Partei mit homophoben Sprüchen für Aufsehen gesorgt. Seit sie die Wahlen gewonnen hat, wittern die rechtsextremen Klerikalfaschisten in Polen Morgenluft, und der Druck auf die Lesben und Schwulen des Landes wird immer größer. Da es selbst in Polen unmöglich ist, dass ein Brüderpaar die Ämter des Staatspräsidenten und des Premierministers innehat, machte Jarosław Kaczyński den farblosen Hinterbänkler Kazimierz Marcinkiewicz zum Ministerpräsidenten, um selber weiterhin im Hintergrund die Regierungsfäden ziehen zu können. Seit Marcinkiewiczs Amtsantritt haben sich die homophoben Angriffe vervielfacht, was viele polnische Lesben und Schwule nicht nur in Angst und Schrecken, sondern mitunter regelrecht in Panik versetzt hat. Es scheint sich zu bewahrheiten, was der neue PiS-Kulturminister Kazimierz Michał Ujazdowski bei einer Wahlkampfveranstaltung in Thorn im Frühjahr für den Fall des Wahlsiegs angekündigt hatte: „Wir dürfen die brutale Propaganda der Homosexuellen nicht als Aufruf für Toleranz mißverstehen. Für sie wird, wenn wir an die Macht kommen, in der Tat dunkle Nacht hereinbrechen.“

Und Premierminister Marcinkiewicz verteidigte am 2. Dezember 2005 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Einschränkung der Versammlungsfreiheit wie folgt:

FAZ: Ihre Partei lehnt aus religiöser Überzeugung Homosexualität ab, der künftige Präsident Lech Kaczyński hat als Bürgermeister von Warschau Schwulendemostrationen verboten. Gilt das Demonstrationsrecht nicht für Homosexuelle?

Marcinkiewicz: Wir respektieren die Freiheit aller Menschen und sind überzeugt, daß die verfassungsmäßigen Rechte aller Bürger gewahrt werden müssen. Während der Diktatur hat man uns für diese Überzeugung verhaftet. Die polnische Verfassung schützt aber nicht nur die Rechte des Einzelnen, sondern auch die der Familie. Wir wollen niemandem seine Freiheit nehmen, und wir schauen niemandem ins Schlafzimmer, aber wir wollen, daß in der Öffentlichkeit nur das geschieht, was die Verfassung vorsieht.

FAZ: Verletzen Schwulendemonstrationen die Rechte der Familie?

Marcinkiewicz: Sie können diese Rechte verletzen. Das ist wie mit Pornoheften. In der Buchhandlung legt man solche Hefte schließlich auch ganz oben auf das oberste Regalbrett, damit die Kinder sie nicht sehen können.

Menschenrechte in Polen durchsetzen!

Mittlerweile haben sich sowohl die EU-Kommission als auch das Europäische Parlament kritisch zur Verletzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit geäußert. Dieses wird u. a. durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert. Es kann weder mit dem Hinweis auf den Schutz der Familie noch unter dem – in Polen ebenfalls vorgebrachten – Vorwand, die Polizei könne die Kundgebungen nicht ausreichend vor den GegendemonstrantInnen schützen und stellten daher eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, außer Kraft gesetzt werden. Auch dieses Problem ist inzwischen ausjudiziert: Schon 1988 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Beschwerde der Plattform Ärzte für das Leben gegen Österreich (Nr. 10126/82) festgehalten, dass die Behörden die Verpflichtung haben, das Recht auf Versammlungsfreiheit auch gegen gewaltsame GegendemonstrantInnen durchzusetzen. Auch die neue polnische Regierung wird die Europäische Menschenrechtskonvention letztlich anerkennen müssen! Und wenn nicht, ist die EU gefordert, mit Nachdruck dafür zu sorgen.

Fotogalerie zu dieser Demo hier

 

 

 

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