Gestern verabschiedete das Europa-Parlament seinen jährlichen Bericht über die Einhaltung der Menschenrechte in der Europäischen Union für das Jahr 1997.
Damit fordert das EP zum insgesamt viertenmal innerhalb von zwei Jahren die Aufhebung des § 209 StGB, der ein diskriminierend höheres Mindestalter für homosexuelle Handlungen vorsieht (1997 wurde ein solches von der Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention eingestuft).
Peinliche „Krönung“ des EU-Vorsitzes Österreichs
„Es ist wohl das erstemal, daß ein EU-Vorsitzland gleich zweimal während seiner Präsidentschaft vom Europa-Parlament wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gerügt wird“, erklärt HOSI-Wien-Obfrau Waltraud Riegler. „Bereits vergangenen September hatte das EP die sofortige Begnadigung und Freilassung aller 209er-Gefangenen gefordert. Die gestrige neuerliche Verurteilung durch das EP ist wohl nicht unbedingt als ein krönender Abschluß des österreichischen EU-Vorsitzes zu werten!“
Schüssel unglaubwürdig
„Angesichts dieser ständigen Ermahnungen des EP, Österreich möge die Menschenrechte einhalten, nehmen sich die Bemühungen des ÖVP-Obmannes und Noch-Ratsvorsitzenden Wolfgang Schüssel, die Menschenrechte zu einem Schwerpunkt in der EU zu machen, noch unglaubwürdiger und lächerlicher aus“, meint HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Schüssel soll Europa mit seinen Lippenbekenntnissen verschonen, solange er nicht endlich vor der eigenen Parteitür gekehrt hat, denn die Aufhebung dieser menschenrechtswidrigen Bestimmung scheiterte bisher bloß an der ÖVP, die offenbar ihre eigene Definition von Menschenrechten hat und dabei wohl meint, Entscheidungen der Europäischen Menschenrechtskommission und des UNO-Menschenrechtsausschusses ignorieren zu können. Jedenfalls kann man Schüssels Eintreten für die Menschenrechte nicht wirklich ernstnehmen, solange er Homosexuellen elementarste Menschenrechte verweigern will.“
UNO-Menschenrechtsausschuß verlangt Streichung des § 209
„Erst im Vormonat“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, „hat der UNO-Menschenrechtsausschuß Österreich anläßlich der Prüfung seines dritten nach Artikel 40 der UNO-Menschenrechtskonvention vorgelegten Berichts über die Fortschritte bei der Umsetzung der Konvention aufgefordert, die diskriminierende Bestimmung des § 209 aufzuheben.“