Gestern hat das Europäische Parlament über seine Änderungen zum Kommissionsvorschlag für eine EU-Richtlinie „über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“ (KOM(2001) 257) abgestimmt.
Mit 269 gegen 225 Stimmen bei 46 Enthaltungen hat sich das Europa-Parlament dabei für eine fortschrittliche Definition des Familienbegriffs ausgesprochen. Das EU-Parlament hat u. a. die gegenseitige Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften durch alle Mitgliedsstaaten in den Vorschlag hineinreklamiert.
Freier Personenverkehr eingeschränkt
Bisher ist es nämlich für ein in den Niederlanden standesamtlich verheiratetes oder in Dänemark, Finnland, Schweden, Deutschland, Frankreich oder Portugal registriertes gleichgeschlechtliches Paar nicht möglich, sich in einem Mitgliedsstaat, der selbst nicht über ein derartiges Rechtsinstitut verfügt, niederzulassen und dabei seinen Status beizubehalten. Dies ist vor allem problematisch, wenn eine/r der PartnerInnen Drittstaatsangehörige/r ist.
„Auch Österreich weigert sich bisher standhaft, im Ausland gesetzlich eingetragene gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften anzuerkennen“, erklärt dazu HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz. „Immer wieder wenden sich EU-BürgerInnen an uns, die eine Stellung bei den internationalen Organisationen in Wien oder einen Job bei einem internationalen Konzern in Österreich nicht annehmen können, weil ihr/e gleichgeschlechtliche/r Partner/in aus einem Nicht-EU-Land von den österreichischen Behörden keine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erhält, obwohl das betroffene Paar in einem EU-Land eine rechtlich anerkannte PartnerInnenschaft oder – wie im Falle der Niederlande – sogar eine Ehe geschlossen hat. Mit dieser Weigerung errichtet das österreichische Innenministerium ein inakzeptables Hindernis für diese Paare und schränkt damit eines der grundlegendsten Rechte und Prinzipien der EU in unerträglicher Weise ein, nämlich das Recht auf Freizügigkeit bzw. Niederlassungsfreiheit.“
Erfolgreiches Lobbying der ILGA-Europa
„Das EU-Parlament stellt sich nun vehement gegen diese Einschränkung fundamentaler Rechte von homosexuellen EU-BürgerInnen und hat damit auch eine wesentliche Forderung des europäischen Lesben- und Schwulenverbands ILGA-Europa aufgegriffen“, gibt sich dessen Vorstandsvorsitzender Kurt Krickler zufrieden: „Wir haben in Brüssel über eineinhalb Jahre konsequentes Lobbying in dieser Frage betrieben und freuen uns natürlich sehr über das klare Votum des Parlaments. Allerdings ist es nur ein Etappensieg, denn der Rat muss der Richtlinie ebenfalls zustimmen. Für uns ist jedoch günstig, dass das Parlament hier Mitentscheidungsrecht hat, der Rat also nicht gegen das Parlament seine Version der Richtlinie durchsetzen kann. Außerdem fällt diese Materie seit Inkrafttreten des Vertrags von Nizza am 1. Februar d. J. nicht mehr unter das Einstimmigkeitsprinzip im Rat. Österreich kann daher kein Veto einlegen. Da durch die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Belgien im Vormonat nunmehr eine Mehrheit der EU-Staaten (8 von 15) gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften in irgendeiner Form anerkennt, ist auch damit zu rechnen, dass sich diese Mehrheit im Rat durchsetzen und ihre StaatsbürgerInnen vor Diskriminierung durch eine Minderheit von Mitgliedsstaaten schützen will.“
Österreich soll Widerstand im Rat aufgeben
„Es wäre daher wünschenswert“, meint HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, „dass Österreich – auch im zuständigen EU-MinisterInnenrat – seinen Widerstand dagegen aufgibt, im EU-Ausland gesetzlich eingegangene gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften anzuerkennen. Natürlich wären dann EU-StaatsbürgerInnen gegenüber ÖsterreicherInnen privilegiert, aber dieses Problem wäre am besten dadurch zu lösen, dass Österreich endlich auch eine Eingetragene PartnerInnenschaft für gleichgeschlechtliche Paare einführt. Österreichs Politik, und da insbesondere die ÖVP, sollte sich endlich eingestehen, dass sie auf längere Sicht mit ihrer Ablehnung dieser Forderung auf verlorenem Posten steht – die Entwicklung ist ohnehin nicht mehr aufzuhalten, sondern kann höchstens – auf Kosten der Betroffenen – gebremst werden.“