Aus Anlass des Internationalen Frauentags, der weltweit am 8. März begangen wird, wendet sich die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien mit einer „Lesbenresolution“ an die Öffentlichkeit.
Am 8. März finden in fast allen Ländern der Erde Kundgebungen statt, mit denen Frauen sich und ihren Forderungen Sichtbarkeit und Gehör verschaffen:
* für selbstbestimmte Sexualität, selbstbestimmte Lebensweise, finanzielle und soziale Gerechtigkeit
* gegen alle Formen von Sexismus, Rassismus, Ausbeutung und Unterdrückung
* für eine solidarische Gesellschaft, die Achtung der Menschenrechte und Frieden.
Viele der Frauen, die am diesjährigen 8. März weltweit ganz besonders unter dem Motto „gegen Ausbeutung und Krieg“ auf die Straße gehen, sind lesbische Frauen. Die zentralen Forderungen und Anliegen der Frauenbewegung sind auch die Anliegen der lesbischen Frauen.
Wir, die lesbischen Frauen und schwulen Männer der HOSI Wien, solidarisieren uns mit der zentralen Botschaft dieses 8. März 2003:
Für die umfassende Verwirklichung der Menschenrechte für alle Frauen und gegen jede Form von Gewalt, Militarismus und Krieg.
Lesbische Frauen sind sowohl von Frauen-Politik als von Homosexuellen-Politik sehr häufig höchstens am Rande „mitgemeint“, von beiden aber sind sie stark und ganz zentral mitbetroffen. Wenn in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, in den Medien und im Kulturleben von FRAUEN gesprochen wird, wird viel zu selten bedacht, dass rund zehn Prozent aller FRAUEN lesbische Frauen sind. Wenn in unserer Kultur von Homosexuellen die Rede ist, wird viel zu selten dem Umstand Rechnung getragen, dass rund 50% aller homosexuellen Menschen Frauen sind: nämlich LESBEN.
Deshalb wenden wir uns mit unserer Resolution, die in der gebotenen Kürze nur einen beispielhaften Ausschnitt und winzigen Bruchteil der lesbischen Forderungen an Politik und Gesellschaft thematisieren kann, in erster Linie an die Verantwortlichen in den Bereichen Politik, Medien, Bildungswesen und Arbeitswelt.
SELBSTBESTIMMUNG
Die neoliberale und gleichzeitig zutiefst wertkonservative Regierungspolitik der vergangenen drei Jahre hat in Österreich unter dem Decknamen „Sparkurs“ die ohnehin viel zu „sparsam“ und mit minimalen budgetären Mitteln geförderten Ansätze einer fortschrittlichen Frauenpolitik ausgehungert. Sie hat durch Umstrukturierungen das frühere Frauenministerium in ein Ministerium für „Generationen“ mit eigener Abteilung für Männerrechte verwandelt und einen Mann zum „Frauenminister“ gemacht.
Die in Gesetzesform gegossenen Maßnahmen dieser Regierung wie Kindergeld und gemeinsame Obsorge sowie laufende Vorbereitungen, die Möglichkeit des legalen Schwangerschaftsabbruchs einzuschränken, zielen darauf ab, Frauen aus dem für ökonomische Unabhängigkeit notwendigen Erwerbsleben weiter hinauszudrängen. Sie fördern die weitere Verarmung von Frauen und damit deren Abhängigkeit von Ehemann und Familie.
Lesbische Frauen sind von den Maßnahmen derartiger Politik und dem von ihr geförderten gesellschaftlichen Klima sehr stark negativ betroffen.
Wir fordern deshalb:
* ein Ende des fast vollständigen Subsumierens von Frauenpolitik unter den Begriff Familienpolitik;
* ein Ende der missbräuchlichen Verwendung des „Gendermainstreaming“ zur Durchsetzung von Maßnahmen, die eine angebliche Benachteiligung von Männern ausgleichen sollen, was angesichts der Tatsache, dass die Jahrhunderte lange Unterdrückung, Ausbeutung und Abhängigkeit von Frauen bis in die Gegenwart nachwirkt, zu nichts anderem als einer Wieder oder Weiterverfestigung von Männermacht führt;
* das Ende einer Frauenpolitik, die nur der Restauration historisch längst überholter Definitionen von Geschlecht und Familie dient und in Wahrheit eine Männerpolitik ist;
* die Wiederaufnahme einer aktiven Frauenförderpolitik mit deutlich feministischer Akzentuierung, zu der auch die aktive, bewusste und deklarierte Unterstützung der Anliegen lesbischer Frauen zählt.
EHE UND FAMILIE
Zur selbstbestimmten Lebensplanung vieler Frauen, die ausschließlich oder überwiegend in lesbischen Liebesbeziehungen leben, gehört heutzutage ganz selbstverständlich auch der Gedanke an Elternschaft. In dieser Selbstverständlichkeit, mit der vor allem lesbische Frauen der jüngeren Generation die Gründung einer so genannten „Regenbogen“-Familie planen, spiegelt sich zweifellos ein gestiegenes Selbst–bewusstsein und die Erweiterung der Lebensentwürfe gleichgeschlechtlich liebender Menschen. Die österreichische Politik hat diesem Umstand Rechnung zu tragen.
Wir fordern deshalb:
* die Anerkennung aller Familienformen (AlleinerzieherInnen, Patchwork-Familen, Regenbogen-Familien) und ihre rechtliche und soziale Gleichstellung mit der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Familie und damit die Gleichstellung unserer Lebens- und Liebesgemeinschaften mit allen Formen des Zusammenlebens von Mann und Frau inner- und außerhalb der Ehe;
* die Neudiskussion des geltenden Fortpflanzungshilfegesetzes, das das Recht auf medizinisch betreute Fortpflanzungshilfe auf Ehepaare beschränkt;
* die Modernisierung des bisherigen Adoptionsrechts, das die gemeinsame Adoption auf Ehepaare beschränkt;
* die Schaffung fairer und flexibler Karenzbestimmungen sowohl für hetero- als auch homosexuelle Eltern.
SICHTBARKEIT
Sichtbarkeit ist vor allem für lesbische Frauen ein zentrales Anliegen, da sie ganz besonders stark unter den kulturellen Ausgrenzungsmechanismen, dem Ignoriertwerden und der Nichterwähnung leiden. Sie werden nach wie vor als Bevölkerungsgruppe und als relevante Vorbilder für die Verwirklichung weiblicher Lebensentwürfe abseits der heterosexuell determinierten weiblichen „Normalbiografie“ einfach totgeschwiegen, ausgeblendet und vergessen.
Dieses – bewusste und/oder unbewusste – Unsichtbarhalten lesbischer Frauen ist eine Form struktureller Gewalt. Deshalb ist auch die in den Medien in den letzten Jahren wieder verstärkt üblich gewordene „Männersprache“ (d. h. die Benutzung männlicher Sprachformen für beide Geschlechter) im allgemeinen und in Berichten über Themen, die alle homosexuellen Menschen betreffen, im besonderen als ein regelrechter Akt der Gewalt gegen Lesben zu werten.
Im Vergleich zu früheren Jahren kommen Lesben zwar vermehrt in den Medien vor, jedoch leider äußerst einseitig und keineswegs repräsentativ für die tatsächliche Vielfalt lesbischer Frauen. Ein objektives Bild lesbischer Alltagsrealität und von Lesben als Teil der österreichischen Arbeitswelt entsteht dadurch ebenso wenig, wie ein auch nur annähernd objektiver Eindruck der wertvollen Beiträge von Lesben zu Wissenschaft und Kunst, zu sportlichen Erfolgen, humanitären Errungenschaften und sozialem Wohlergehen im Land.
Wir fordern deshalb:
* einen frauenbewussten Umgang mit der Sprache ganz besonders auch in den Medien;
* die Unterlassung inhaltlicher Diskriminierung sowie abwertender Äußerungen über Lesben in den Medien;
* mehr Vielfalt und Qualität in der Berichterstattung über lesbisches Leben;
* die Ausstrahlung von mehr lesbenspezifischen Dokumentationen und Filmen in Radio und Fernsehen;
* die objektive inhaltliche Berücksichtigung und explizite Erwähnung lesbischer Frauen, ihrer Lebenswirklichkeit und Anliegen in sämtlichen Sparten medialer Berichterstattung – von Wirtschaft bis Wissenschaft, von Politik bis Popkultur.