Am 22. und 23. September wird sich der zuständige EU-Ministerrat neuerlich mit der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Richtlinie „über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“ befassen. Darin soll u. a. der Kreis der Angehörigen neu definiert werden, die ein Recht auf Familiennachzug haben, was speziell relevant ist, wenn es sich dabei um Drittstaatsangehörige ohne eigenes Niederlassungsrecht handelt.
Da in einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten mittlerweile gleichgeschlechtliche Ehen und Eingetragene PartnerInnenschaften rechtlich anerkannt sind, geht es darum, dass diese im Bereich der Freizügigkeit überall in der EU anerkannt werden, also auch von jener Minderheit von EU-Staaten, die selber über keine derartigen Rechtsinstitute verfügen. Während sich das Europäische Parlament für dieses Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung“ ausgesprochen hat (vgl. Aussendung vom 12. Februar 2003), lehnt es die Europäische Kommission in ihrem geänderten Vorschlag ab und will das Nachzugsrecht auf jene Länder beschränken, die über derartige Rechtsinstitute bereits verfügen. Diesem völlig unbefriedigenden Ansatz hat sich nun der Rat angeschlossen, der die Richtlinie mit Einstimmigkeit beschließen muss.
„Leider ist auch Österreich, im Rat durch Bundesminister Martin Bartenstein vertreten, gegen das Prinzip der ‚gegenseitigen Anerkennung‘“, erklärt Helga Pankratz, Obfrau der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, „weil man keine im Ausland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen bzw. Eingetragenen PartnerInnenschaften anerkennen will. Die Bundesregierung fürchtet, dass österreichische StaatsbürgerInnen, die ja für ihre/n Partner/in aus einem Drittstaat keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Österreich erwirken können, beim Verfassungsgerichtshof gegen eine solche ‚Diskriminierung‘ gegenüber anderen EU-BürgerInnen erfolgreich klagen könnten. Dieses Diskriminierungsargument wird allerdings in diesem Fall schon deshalb nicht schlagend, als die ausländischen EU-BürgerInnen im Gegensatz zu den österreichischen StaatsbürgerInnen eben eine Heirats- bzw. Eintragungsurkunde ihres Herkunftslandes vorweisen können.“
„Kalte“ Ausbürgerung österreichischer StaatsbürgerInnen
„Die einzige tatsächliche Diskriminierung“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl, „bestünde für jene ÖsterreicherInnen, die in einem EU-Staat, wo dies bereits möglich ist, eine gleichgeschlechtliche Ehe oder Eingetragene PartnerInnenschaft mit einem/einer Drittstaatsangehörigen geschlossen haben und dann gemeinsam nach Österreich übersiedeln wollen. Diese Situation wird von der Richtlinie nicht erfasst, und ÖsterreicherInnen wären hier dann schlechter gestellt als ausländische EU-BürgerInnen, die sich mit ihren gleichgeschlechtlichen EhegattInnen bzw. eingetragenen PartnerInnen aus Drittstaaten in Österreich niederlassen könnten. Um diese Diskriminierung auszuschalten, müssten die Bestimmungen der Richtlinie eben auch für österreichische StaatsbürgerInnen gelten. Es kann ja wohl nicht so sein, dass Österreich seine im Ausland mit Drittstaatsangehörigen gleichgeschlechtlich ‚verheirateten‘ StaatsbürgerInnen vor die Wahl stellt, sich von ihren EhegattInnen bzw. eingetragenen PartnerInnen zu trennen oder im Ausland zu bleiben. Da in einer aufrechten Liebesbeziehung ersteres wohl nicht in Frage kommt, würde eine solche Weigerung eine ‚kalte‘ De-facto-Ausbürgerung von österreichischen StaatsbürgerInnen bedeuten. Ähnliche Ausbürgerungen hat es zuletzt in Europa zu Breschnjews Zeiten aus der Sowjetunion gegeben.“
Bartenstein bestraft Kinder für die sexuelle Orientierung ihrer Eltern
„Gibt es in solchen binationalen Ehen oder Eingetragenen PartnerInnenschaft dann auch noch Kinder“, ergänzt Pankratz, „würden ganze Familien auseinandergerissen. Wie in allen Fällen, wo gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften rechtlos und Kinder mitbetroffen sind, werden ja in erster Linie die Rechte der Kinder beschnitten. Es ist daher eine unerträgliche Heuchelei von ÖVP und FPÖ, wenn sie immer wieder vorgeben, sich um das Wohl der Kinder zu sorgen. In Wahrheit bestrafen sie aber die Kinder für die sexuelle Orientierung ihrer Eltern. Wie auch in diesem Fall.“
„Nach der denkwürdigen und historischen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Mietrechtssache Karner gegen Österreich (vgl. Aussendung vom 24. Juli 2003) ist jedoch klar, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung nur durch ‚besonders bedeutsame Gründe‘ zu rechtfertigen ist und ‚notwendig‘ sein muss, um ein legitimes Ziel zu erreichen“, erklärt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Es ist nicht im entferntesten erkennbar, welches legitime Ziel mit der in der EU-Richtlinie festgelegten Ungleichbehandlung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Ehepaare und ihrer Äquivalente, der Eingetragenen PartnerInnenschaften, erreicht werden soll und welche ‚besonders bedeutsamen Gründe‘ zur Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung vorliegen könnten. Diese Bestimmung wäre also eindeutig menschenrechtswidrig und würde wohl nach ihrer Umsetzung in nationales Recht keine Sekunde vor dem Gerichtshof in Straßburg halten. Außerdem verletzt sie klar der EU-Charta der Grundrechte, die eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbietet.“
Die HOSI Wien hat in einem Schreiben Bundesminister Bartenstein dringend aufgefordert, nicht nur die österreichische Position im Sinne einer Nichtdiskriminierung gleichgeschlechtlicher Ehen und Eingetragener PartnerInnenschaften zu ändern, sondern sich nächste Woche im EU-Rat auch aktiv für das Prinzip der „gegenseitigen Anerkennung“ einzusetzen.
Information: Der ausführliche Brief mit detaillierten Argumenten ist hier abrufbar.