PRIVATSPHÄRE & POLITIK. Eine Homosexuelleninitiative* versucht, Haider zu outen – und macht sich damit der sexuellen Diskriminierung schuldig.
von Herbert Langsner
Die Plakatserie soll provokant sein: "Wolfgang ist eine richtige Sau", steht da zu lesen, oder "Benita liebt es steif", und "Franz ist eine Heulsuse". Die Initiatoren des Festivals "Wien ist andersrum" wollen so gegen die Regierung protestieren (siehe Seite 32). Es sei ihnen gegönnt; nicht jeder kann zwischen lustig und halblustig unterscheiden. Doch da gibt es einen Slogan, der nicht einfach als mißlungener Gag abgetan werden darf: "Jörg ist schwul", heißt es hier, und diese Behauptung ist der vorläufige Höhepunkt einer Kampagne, mit der Jörg Haider als homosexuell zwangsgeoutet werden soll. Begonnen hat es mit Andeutungen im "Guardian" und in der "Weltwoche", vergangene Woche brachte die deutsche "taz" einen Artikel über Haiders angebliche Neigungen, und zuletzt wurde im Wiener Privatsender ATV darüber diskutiert. Damit ist die Botschaft durch, und das ist schlecht so. Denn diese Aktion ist übelster Terroris-mus gegen die Privatsphäre.
Sicher, Haider ist selbst kein Mann der feinen Klinge. Er attackiert seine Gegner mit brutalen Untergriffen, nützt Ressentiments gegen Minderheiten aus und fand auch nichts dabei, als sein EU-Abgeordneter Peter Sichrovsky ankündigte, im Privatleben kritischer Journalisten herumschnüffeln zu wollen. Mit anderen Worten: Haider zählt zu jenen Politikern, die sich über unfaire Methoden nicht beklagen sollten. Und die FPÖ ist jene Parlamentspartei, die aus politischem Kalkül regelmäßig gegen Minderheiten zu Felde zieht.
Aber all das rechtfertigt die Outing-Kampagne nicht. Abgesehen davon, daß die Behauptungen nicht einmal bewiesen werden können, ist es völlig irrelevant. welche sexuellen Vorlieben Haider oder irgendein anderer Politiker hat – solange er daraus kein Politikum macht. Im Fall Groër etwa hatte der Kardinal Homosexualität streng verurteilt. Das gab seinem früheren Schüler Josef Hartmann das Recht, über Groërs homosexuelle Belästigungen (an Minderjährigen) zu reden.
All das trifft auf Haider nicht zu, ob er jetzt schwul sein mag oder sonstwas. Außer in der ganz anders gelagerten Frage des Schutzalters für Minderjährige hat er sich zum Thema Homosexualität politisch nicht geäußert und auch niemanden wegen seines Sexuallebens attackiert. Es gibt nichts, was jemanden dazu legitimiert, Haiders angebliche private Präferenzen zu beleuchten.
Die Ausrede, auf den Plakaten würden mehrere Politiker verulkt, zählt nicht. Denn die Chronologie des Outings zeigt, daß gezielt versucht wird, Haider mit Behauptungen über private Details fertigzumachen. Und das ist sexuelle Diskriminierung – eine Sauerei.
FORMAT, 27. März 2000
*) Anmerkung der HOSI Wien: Der verwendete Begriff "Homosexuelleniniative" ist irreführend. Wir legen wert auf die Tatsache, dass die Homosexuelle Initiative Wien aus den bekannten Gründen kein Interesse daran hat, Jörg Haider zu outen.
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