Den im Mai vorgelegten Entwurf des Justizministeriums für ein Familienrechts- Änderungsgesetz bezeichnet die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien als minimalistisch und halbherzig.
„Wir bedauern es außerordentlich, dass die Bundesregierung sich nicht zu einer umfassenden Gleichstellung von gleich- und verschiedengeschlechtlichen PartnerInnenschaften durchringen konnte und damit unerträgliche Diskriminierungen weiterführt, die eine Schande für jeden Staat sind, der von sich behaupten will, zivilisiert, demokratisch und den Menschenrechten verpflichtet zu sein“, erklärt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Von einer ÖVP-dominierten Regierung war aber nichts anderes zu erwarten. Diese gesellschaftspolitische Rückständigkeit muss jedoch umso peinlicher anmuten, als immer mehr Staaten in Europa diese Gleichstellung vehement vorantreiben.“
„Besonders bedauerlich ist es“, so Högl weiter, „dass sich die Regierung nicht einmal dazu durchringen konnte, wenigstens gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften in allen Rechtsbereichen gleichzustellen, wie dies eigentlich aufgrund der Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in der Beschwerde Karner erforderlich wäre. Der Gesetzesentwurf sieht etwa weiterhin eine ausdrückliche Ungleichbehandlung im Fortpflanzungsmedizingesetz vor.“
Regierung will Lesben mit Kinderwunsch zum Geschlechtsverkehr zwingen
Während der Entwurf die Lebensgemeinschaft zwar grundsätzlich auch als eine zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts definiert, werden gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Fortpflanzungsmedizingesetz dann ausdrücklich wieder ausgenommen. „Für uns ist nicht einzusehen, warum lesbische Frauen, ob alleinstehend oder in einer Paarbeziehung, zwar auf die ‚natürliche‘ Methode, also durch Geschlechtsverkehr mit einem Mann, schwanger werden dürfen, nicht aber mittels künstlicher Befruchtung mit dem Samen desselben Mannes“, ärgert sich HOSI-Wien-Obfrau Bettina Nemeth. „Das geht die Regierung nicht das Geringste an! Wenn sie Lesben mit Kinderwunsch zum Geschlechtsverkehr zwingen will, kommt das einer Nötigung gleich!“
„Außerdem kann man eine künstliche Befruchtung auch privat organisieren. Allerdings erhöht sich dabei das Gesundheitsrisiko für die Frau und das Kind“, gibt Nemeth zu bedenken. „Denn bei einer privat organisierten Samenspende kann sich die Frau nicht zur Gänze gegen das Vorhandensein gefährlicher Infektionen beim Spender, etwa mit HIV, absichern. Diese von der Regierung ausdrücklich vorgesehene Diskriminierung stellt daher eine nicht zu vernachlässigende Gesundheitsgefährdung von lesbischen Frauen dar, die durch das Gesetz gezwungen werden, ihren Kinderwunsch durch eine solche privat organisierte Samenspende zu erfüllen.“
HINWEIS:
Die Stellungnahme der HOSI Wien im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zum Entwurf für ein Familienrechts-Änderungsgesetz 2006: bmj-begutachtung-stellungn.pdf.
Stellungnahme der HOSI Wien im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zum Entwurf einer Fortpflanzungsmedizingesetz-Novelle 2004: HOSI_zur_FMedGNov04.pdf. Siehe dazu auch unsere Aussendung vom 18. März 2004.
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