Anlässlich der bevorstehenden Erörterung des Entwurfs für eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes im zuständigen Ausschuss des Nationalrats am kommenden Donnerstag fordert die HOSI Wien, die bestehende gesetzlich verankerte Diskriminierung ausgerechnet beim Schutz vor Diskriminierung endlich zu beseitigen.
„Gleicher gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung ist keine abwegige Luxusforderung, sondern eine menschenrechtliche Verpflichtung, etwa aufgrund der UNO-Menschenrechtskonvention, die Österreich ja ratifiziert hat und daher respektieren sollte“, erklärt dazu HOSI-Wien-Obmann Christian Högl und verweist auf Artikel 26 dieser Konvention, der keinerlei Interpretationsspielraum offenlässt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In dieser Hinsicht hat das Gesetz jede Diskriminierung zu verbieten und allen Menschen gegen jede Diskriminierung (…) gleichen und wirksamen Schutz zu gewährleisten.”
„Aus genau diesem Grund hat ja der zuständige UNO-Menschenrechtsausschuss die bestehende Hierarchie beim Schutz vor Diskriminierung anlässlich der letzten periodischen Überprüfung der Lage der Menschenrechte in Österreich im Oktober 2007 kritisiert, als er ‚mit Besorgnis‘ feststellte, ‚dass der Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Alter, Religion und sexueller Orientierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz lediglich auf Beschäftigung und Beruf beschränkt ist‘, und entsprechende Abhilfe einforderte“, so Högl weiter (Vgl. unsere Aussendung vom 5. November 2007).
Blamage für Außenminister Spindelegger
Eigentlich sieht die Regierungsvorlage eine weitgehende Angleichung des Schutzniveaus für alle Merkmale vor. Allerdings hat die ÖVP angekündigt, im Parlament die geplante Angleichung des Diskriminierungsschutzes aus der Gesetzesvorlage zu streichen (vgl. auch unsere Aussendung vom 7. Dezember 2010).
„Der ÖVP-Klub fällt mit seiner Haltung nicht zuletzt ÖVP-Außenminister Michael Spindelegger in den Rücken und blamiert ihn auf internationaler Ebene“, betont HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler. „Denn Ende Jänner 2011 steht auch die periodische universelle Menschenrechtsüberprüfung Österreichs durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf an. Im Staatenbericht Österreichs hat die Bundesregierung noch eine Harmonisierung des Schutzniveaus angekündigt (Rundnummer 48). Wenn es nach dem ÖVP-Klub geht, wird aber daraus nichts – und Österreich wäre dann wohl in Erklärungsnotstand, warum es der Aufforderung der UNO, die Menschenrechtskonvention zu achten, auch nach drei Jahren immer noch nicht nachgekommen ist.“
Im Mai 2011 wird übrigens über die Kandidatur Österreichs für einen Sitz im UNO-Menschenrechtsrat entschieden. „Sollte die Regierungsvorlage zum Gleichbehandlungsgesetz nicht in der vorgeschlagenen Fassung, also mit dem darin vorgesehenen Levelling-up beschlossen werden, wird Österreich in Genf wegen dieser Menschenrechtsverletzung und der Ignoranz gegenüber den Kritikpunkten der zuständigen UNO-Gremien am Pranger stehen und seine Chancen auf einen Sitz im UNO-Menschenrechtsrat mindern“, erklärt Högl. „Denn mit solchen Haltungen und offenen Menschenrechtsverletzungen gegenüber Lesben und Schwulen hat Österreich jedes Recht verwirkt, in diesem Gremium vertreten zu sein!“
Kein juristisches Neuland
„Die Argumente der GegnerInnen eines einheitlichen Schutzniveaus für alle Diskriminierungsmerkmale sind abstrus und hanebüchen“, kritisierte Krickler auch heute vormittag auf einer Pressekonferenz des Klagsverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern. „Jetzt wäre es wichtig, dass die ÖVP von der Wirtschaft und ihren VertreterInnen zum Umdenken bewegt wird – immerhin hat die Wirtschaftskammer die Regierungsvorlage als akzeptabel bezeichnet –, damit sie bei ihren eigenen Bemühungen in den Bereichen Diversity Management und gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (‚Corporate Social Responsibility‘) glaubwürdig bleiben.“
„Die Angleichung des Diskriminierungsschutzes stellt übrigens kein juristisches Neuland dar“, so Krickler abschließend. „Es ist daher überhaupt nicht erklärbar, warum etwas, was sich in Österreich für ethnische Herkunft, Geschlecht oder Behinderung bewährt hat, plötzlich für Alter, Religion oder sexuelle Orientierung unüberwindbare Probleme schaffen sollte. Außerdem beweisen viele EU-Staaten, dass einheitlicher Schutz vor Diskriminierung sehr wohl möglich ist und funktioniert – etwa Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Irland, Großbritannien, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien und Ungarn. Und selbst in Österreich sehen ja einige Landesgesetze einheitlichen Schutz vor – etwa in Wien. Wenn beispielsweise ‚Wiener Wohnen‘ jetzt schon verpflichtet ist, niemanden wegen der sexuellen Orientierung beim Zugang zu Wohnraum zu diskriminieren, kann man ja wohl auch private Hausverwaltungen und Hausherren gesetzlich dazu verpflichten.“
Rückfragehinweis:
Christian Högl, Obmann, Tel. 0699-118 11 038
Kurt Krickler, Generalsekretär, Tel. 0664-57 67 466