„Lesbendiskriminierung ist kein ‚Kavaliersdelikt‘. Österreichs lesbische Frauen lassen sich eine männlich-chauvinistische Larmoyanz in so unerträglichem Ausmaß nicht mehr bieten“, kommentiert HOSI-Wien-Obmann Christian Högl die Vorgangsweise der Steiermärkischen Landesbibliothek.
Deren Leiter, Dr. Josef F. Desput, wollte zwei langjährige Bibliotheksnutzerinnen daran hindern, weiterhin aktuelle Buchtitel von und für Lesben, die zwar im Handel befindlich, aber in den Buchregalen der Bibliothek extreme Mangelware sind, ins sogenannte „Wunschbuch“ der steirischen Landesbücherei einzutragen (Berichte im Standard vom 19. und 23. Juli).
„Herrn Desputs Argument begrenzter finanzieller Mittel kann in diesem Zusammenhang nur als ganz besonders erbärmlich bezeichnet werden“, ergänzt Obfrau Helga Pankratz, „wenn man bedenkt, daß bei den Buchankäufen ja bereits seit Jahrzehnten auf Kosten der legitimen Bedürfnisse lesbischer Leserinnen und, wie Recherchen der HOSI Wien ergeben, genauso sehr auf die der schwulen Leser ‚gespart‘ wurde, während andere – und hier häufig nicht unbedingt die fortschrittlichsten – Leserinteressen reichlich bedient werden.“
Bildungsauftrag verfehlt
„Nicht nur die steirische Landesbibliothek hat einen offenkundigen Nachholbedarf an bislang extrem vernachlässigten Ankäufen von zeitgemäßen wissenschaftlichen Werken auf dem Gebiet der Frauen-, Lesben- und Schwulenforschung, der Queer-Studies sowie bei aktueller Belletristik mit lesbischer und schwuler Thematik und vor allem auch bei Coming-out-Ratgebern und Literatur für jugendliche Lesben und Schwule“, konstatiert Pankratz. „Generell mangelt es in den meisten öffentlichen Bibliotheken an entsprechenden Beständen und vielerorts an der richtigen Verschlagwortung mit expliziter Nennung von ‚Lesben‘ und ‚Schwulen‘, von Homo- und Bisexualität.“
„Eine gute Versorgung sowohl mit aktueller Unterhaltungsliteratur als auch mit Sachbüchern und Ratgebern zum Thema Homosexualität ist keineswegs nur für jene etwa 10 % der Bevölkerung, die selbst lesbisch oder schwul sind, relevant“, gibt Högl zu bedenken. „Sie dient genauso sehr der Aufklärung der Öffentlichkeit. Lektüre, die Verwandte und Bekannte von Lesben und Schwulen, LehrerInnen und sämtliche andere Berufsgruppen beim Abbau von Vorurteilen und Erwerb von neuem Wissen unterstützt, ist für ein gedeihliches Zusammenleben der heterosexuellen Mehrheit und der homosexuellen Minderheit unerläßlich. Insofern wird hier eindeutig der Bildungs- und Informationsauftrag verfehlt.“
„Für jugendliche Lesben und Schwule ist sehr oft die Suche nach Lektüre der erste Schritt im Coming-out“, erläutert Pankratz und bezeichnet es als „erschütternd zu wissen, daß es diese Lektüre sehr wohl gibt, sie jenen, die sie ganz besonders dringend brauchen, durch solche Vorgangsweisen jedoch vorenthalten wird. Ein Verhalten, das nur als Zensur und als brutale Informationsunterdrückung bezeichnet werden kann.“
Aufruf zur Wunschoffensive!
„Den beherzten Grazerinnen, die mit ihrer Wunschbuch-Offensive den Stein ins Rollen gebracht haben, gilt unser besonderer Dank“, meint sie weiter. „Bücher mit offenkundig lesbischem Inhalt zu bestellen bedeutet schließlich, mit vollem Namen und Adresse zu diesem Anliegen zu stehen. Und wir fordern Österreichs Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und selbstverständlich auch solidarische heterosexuelle Männer und Frauen auf, sich an ihnen ein Vorbild zu nehmen. Fühlt dem Bücherbestand eurer nächstgelegenen öffentlichen Bibliothek auf den Zahn! Wünscht euch gute aktuelle Bücher!“