Zum gestrigen Outing von Jörg Haider als Schwulen in der Berliner tageszeitung nimmt die „Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien – 1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs“ wie folgt Stellung:
Auch der HOSI Wien sind seit rund zehn Jahren die vielen Gerüchte über Haiders Homosexualität bekannt gewesen. Einerseits haben wir es als positiv empfunden, daß derartige Gerüchte der Karriere eines Politikers nicht mehr schaden (so desaströs und problematisch das Wirken Haiders in der österreichischen Innenpolitik auch ist), andererseits wäre gerade ein Outing Haiders schon früher gerechtfertigt gewesen, wenn man Outing als politischen Akt gegen versteckte Homosexuelle betrachtet, die in wichtigen politischen Funktionen durch ihr anti-homosexuelles Wirken anderen Homosexuellen schaden. Immerhin hat Haider 1996 als Nationalratsabgeordneter gegen die Aufhebung der menschenrechtswidrigen Paragraphen 209 und 220 gestimmt (diskriminierendes Mindestalter, Informationsverbot über Homosexualität).
„Für Lesben und Schwule bringt das Outing Haiders allerdings sicherlich nichts Positives“, meint HOSI-Wien-Obfrau Waltraud Riegler. „Er ist kein Renommee für Schwule, keine positive Identifikationsfigur und kein Sympathieträger für schwul/lesbische Anliegen. Deshalb war die HOSI Wien eigentlich froh, daß Haider bisher nicht geoutet wurde. Allerdings war es uns immer klar, daß dies früher oder später passieren würde. Daher müssen wir uns jetzt diesem Outing stellen. Auch Lesben und Schwulen ist die Wahrheit zumutbar. Sie müssen sich damit abfinden, so schmerzlich das auch sein mag, daß Lesben und Schwule nicht automatisch die besseren Menschen sind, daß Homosexuelle nicht nur Gutmenschen, sondern auch Schlechtmenschen sein können.“
„Wir sind auch zuversichtlich, daß heute die Gesellschaft schon so weit ist, einen Menschen nicht mehr wegen seiner Homosexualität anzugreifen“, erklärt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl. „Gerade die Haider-GegnerInnen schätzen wir als aufgeschlossen genug ein, diesen Umstand nicht gegen ihn einzusetzen. Es gibt genug Gründe, Haider und seine Politik zu bekämpfen. Homosexualität kann und darf auf keinen Fall einer sein. Andererseits soll und darf Homosexualität auch kein Grund sein, einen politischen Gegner zu schonen. Wir distanzieren uns auf jeden Fall von Haider und verstoßen ihn aus der schwulen Gemeinschaft. Wer unsolidarisch ist mit Schwulen und Lesben und wer gegen andere Minderheiten auf übelste Art und Weise hetzt, hat jegliche Solidarität verwirkt.“
„Wir finden es bezeichnend und bedenkenswert, daß bisher niemand damit an die Öffentlichkeit gegangen ist“, stellt HOSI-Wien-Generalsekretär und Outing-Spezialist Kurt Krickler, der selber 1995 vier österreichische Bischöfe geoutet hat, fest. „Der Grund dafür liegt nicht zuletzt im Umstand, daß sich jeder durch einen solchen Schritt automatisch selber outen würde, und davor haben wohl diejenigen Angst, die es betrifft. Politiker wie Haider sind also an einem Klima schuld, von dem sie in ihrer eigenen Situation am meisten profitieren: Sie können ihr Schwulsein diskret leben und darauf vertrauen, daß die Furcht vor dem gesellschaftlichen Stigma ihre Partner davon abhält, die Sache publik zu machen.“
Die HOSI Wien hat das Interesse an dieser Sache jedenfalls zum Anlaß genommen, auf ihrer Homepage Materialien dazu zusammenzustellen, darunter die eigenen Beiträge aus ihrer Zeitschrift LAMBDA-Nachrichten zu diesem Thema. Damit soll auch die Berichterstattung über den schwul/lesbischen Kampf gegen die ÖVP/FPÖ-Regierung um diese Facette abgerundet werden.