Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

HOSI Wien zur aktuellen Diskussion um 209er-Ersatz und Entschädigung: Ersatz für § 209 nicht notwendig! Entschädigung nicht nur für 209er-Fälle!

„Es ist schon merkwürdig, daß jetzt plötzlich nach Aufhebung des § 209 Teile von ÖVP und FPÖ draufkommen, daß die seit 200 Jahren bestehenden Bestimmungen für heterosexuelle Beziehungen nicht mehr zum Schutz von Jugendlichen ausreichten und jugendliche Sexualität teilweise neu kriminalisieren möchten“, wundert sich HOSI-Wien-Obfrau Helga Pankratz über die jüngsten Vorschläge von Fekter & Co.

Pankratz weist darauf hin – was ja in der Diskussion immer untergeht –, „daß auch 14- bis 18jährige Burschen bisher schon für reif genug gehalten worden sind, sich mit bedeutend älteren Frauen einzulassen. Ohne die Debatte um § 209 hätte doch niemand neue Bestimmungen für den heterosexuellen Bereich gefordert!“

„Die von der ÖVP vorgeschobenen ‚Schutz‘-Argumente sind nicht stichhaltig“, ergänzt Obmann Christian Högl. „Jugendliche sind umfassend durch eine Reihe von Strafrechtsbestimmungen vor Vergewaltigung, Nötigung, Mißbrauch durch Autoritätspersonen, Schändung (also z. B. Ausnutzung einer Alkoholisierung) und auch vor sexueller Ausbeutung durch Prostitution oder Pornografie geschützt. Die ominöse von der ÖVP vorgeschlagene neue Bestimmung würde de facto ein zusätzliches Mindestalter von 16 Jahren für alle, Hetero- wie Homosexuelle, bringen. Es ist klar, daß die Bevölkerung hier nicht mitgehen würde – eine Meinung, die übrigens auch FPÖ-Justizsprecher Harald Ofner jüngst in Interviews vertrat.“

Zusätzliche Schutzbestimmungen für 14- und 15jährige würden auch neue Widersinnigkeiten schaffen. Da man mit 14 Jahren strafmündig ist, könnte dann ein und dieselbe 14- oder 15jährige Person in einem Fall wegen Nötigung oder Vergewaltigung selber als Täter vor Gericht gestellt werden und in einem anderen als Opfer einen erwachsenen Sexualpartner, der ihr etwa ein Geschenk gemacht hat, ins Gefängnis bringen.

„Wir wollen auch keine schwammig formulierten Paragraphen – Stichwort: ‚Unreife‘ –, die den Gerichten zuviel Interpretationsspielraum geben, denn die fürchterlichen Erfahrungen, die Lesben und Schwule in Österreich in der Vergangenheit mit der Justiz machen mußten, lassen uns befürchten, daß solche Bestimmungen dann nur oder hauptsächlich gegen Homosexuelle ausgelegt werden“, gibt sich Pankratz skeptisch.

Rehabilitierung der Opfer: Umfangreichere Maßnahmen gefordert

„Mit der Aufhebung der letzten strafrechtlichen Sonderbestimmung ist es nun auch höchste Zeit, die Opfer der staatlichen Verfolgung zu rehabilitieren und zu entschädigen. Die HOSI Wien begrüßt daher“, so Högl weiter, „daß die Grünen die von der HOSI Wien auf ihrer diesjährigen Generalversammlung vergangenen März verabschiedeten Forderungen zum Teil aufgegriffen und gestern einen entsprechenden Antrag im Justizausschuß eingebracht haben. Unsere Forderungen sind aber noch wesentlich weitreichender: Die Rehabilitierung muß alle Opfer im 20. Jahrhundert und bis heute umfassen, also nicht nur die 209er-Fälle, sondern alle, die bis 1971 nach dem Totalverbot für weibliche und männliche Homosexualität verurteilt wurden, sowie alle, die nach 1971 auch nach den Paragraphen 210, 220 und 221 strafrechtlich verfolgt wurden.“

Im einzelnen bedeutet dies:

    * offizielle Entschuldigung des Nationalrats bei allen Opfern für das ihnen zugefügte Unrecht und Leid
    * Aufhebung aller Unrechtsurteile nach den §§ 129 I b, 209, 210, 220 und 221 StGB
    * finanzielle Entschädigung aller Verurteilten, insbesondere beitragsfreie Anrechnung der Haftzeiten auf die Pension
    * Aufnahme der vom NS-Regime verfolgten Lesben und Schwulen ins Opferfürsorgegesetz
    * Einsetzung einer nationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission zur Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der österreichischen Geschichte

Zukunftsprojekte

„Teil dieses Entschuldigungs- und Versöhnungsprozesses muß auch die rasche Umsetzung positiver Maßnahmen in Richtung Schutz vor Diskriminierung und Gleichstellung von Lesben und Schwulen sein“, erklärt Pankratz weiter. „Dazu gehören die Schaffung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes und die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher ParnterInnenschaften mittels Einführung der Eingetragenen PartnerInnenschaft nach skandinavischem Vorbild.“

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