Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Lon Williams obsiegt vor dem Verwaltungsgerichtshof

Später Sieg für Lon Williams vor dem Verwaltungsgerichtshof

Im Herbst 2004 löste der „Fall“ des US-Staatsbürgers Lon Williams großes Medieninteresse aus: Die österreichischen Behörden hatten sich geweigert, seine in den Niederlanden mit einem Deutschen geschlossene Ehe anzuerkennen und ihm als Ehegatten eines EU-Bürgers eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung zu erteilen (vgl. Aussendung vom 15. Oktober 2004).

Sein deutscher Ehegatte Thomas konnte daraufhin die ihm bei einer internationalen Organisation in Wien angebotene Stelle nicht annehmen, weil ein Familiennachzug des Ehegatten nicht möglich war. Durch die Vorgangsweise der Behörde wurde auch Thomas‘ Recht als EU-Bürger, sich überall in der EU niederzulassen, verletzt.

Lon – unterstützt vom Wiener Rechtsanwalt Hubert Wagner und der HOSI Wien – bekämpfte den negativen Bescheid der Behörde, der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, beim Verfassungsgerichtshof. Dieser stellte jedoch in einer skandalösen Entscheidung im Oktober 2004 keinerlei Verfassungswidrigkeit fest und weigerte sich völlig EU-rechtswidrig, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg zur sogenannten Vorabentscheidung vorzulegen – immerhin handelte es sich um eine Frage der richtigen Anwendung von EU-Recht, nämlich der EU-Verordnung 1612/68, die das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU regelt. Allerdings trat der VfGH die Sache dem Verwaltungsgerichtshof zur weiteren Entscheidung abwww.ris.bka.gv.at/taweb (vgl. Aussendung vom 2. November 2004).

VwGH hebt Bescheid auf

Der VwGH hat nun am 22. Juni 2006 in seinem ein Monat später veröffentlichten Erkenntnis (Zl. 2004/21/0259) den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben und die Republik Österreich dazu verurteilt, Lon Williams die Verfahrenskosten zu ersetzen (das Erkenntnis ist im vollen Wortlaut untenstehend oder unter diesem Link direkt im Rechtsinformationssystem RIS des Bundes nachzulesen). Die Aufhebung des Bescheids erfolgte aus formalen Gründen: Die belangte Behörde, die sich für nicht zuständig erklärte, hätte – da der Beschwerdeführer auf einer schriftlichen Entscheidung bestand – den Antrag nicht einfach wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückweisen dürfen, sondern an die zuständige Behörde weiterleiten müssen.

Der VwGH befasste sich ausdrücklich nicht mit der inhaltlichen Frage, ob der Begriff „Ehegatte“ in der zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Fassung der EU-Verordnung 1612/68 auch gleichgeschlechtliche EhegattInnen umfasste, „zumal das bejahendenfalls auch zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides geführt hätte“, sich also an der Entscheidung des VwGH ohnehin nichts geändert hätte. Ein diesbezüglicher Spruch hätte – wie auch der VwGH andeutete – nur mehr historischen Wert gehabt, denn sowohl das EU- als auch das österreichische Recht haben sich auf diesem Gebiet mittlerweile weiterentwickelt: Das österreichische Fremdengesetz wurde durch das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) 2005 ersetzt (vgl. Aussendung vom 7. Juli 2005), die EU-Verordnung durch die neue EU-Freizügigkeitsrichtlinie 38/2004, die am 30. April 2006 Gültigkeit erlangte, geändert.

Sicherheitshalber hatte die HOSI Wien aber gleich am 2. Jänner 2006, als das NAG in Kraft trat, dem VwGH eine Eingabe übermittelt, in der sie schlüssig durchargumentierte, dass der Ehegatten-Begriff sowohl in der alten EU-Verordnung als auch in der neuen Richtlinie auch gleichgeschlechtliche EhegattInnen miteinschließe.

Die Eingabe der HOSI Wien steht hier zum Download bereit.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs im Wortlaut

Geschäftszahl: 2004/21/0259
Entscheidungsdatum: 22.06.2006
Veröffentlichungsdatum: 25.07.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden
Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant,
Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des L, vertreten
durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien,
Wattmanngasse 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für
das Bundesland Niederösterreich vom 18. September 2003,
Zl. Fr 1544/03, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf
Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines
Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe
von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu
ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Mödling hat als Behörde erster Instanz
mit Bescheid vom 26. März 2003 den an sie gerichteten Antrag des
Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung
mit dem Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit einem EWR-Bürger
mit der Begründung abgewiesen, dass der Beschwerdeführer nicht als
begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sei. Mit dem
zitierten Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug den
Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der USA,
„vom 8.08.2002 bzw. 13.02.2003“ wegen sachlicher Unzuständigkeit
gemäß § 89 Abs. 2 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung
gestandenen) Fremdengesetzes 1997 – FrG, BGBl I Nr. 75, zurück.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im angefochtenen
Bescheid im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer habe einen
Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit der
Begründung eingebracht, dass er im Jahr 2001 mit einem deutschen
Staatsangehörigen – der als Bediensteter der Europäischen
Patentorganisation in Österreich eine Beschäftigung aufnehmen und
sich hier niederlassen werde – in den Niederlanden eine
gleichgeschlechtliche Ehe eingegangen sei. Ihm sei (lt.
Aktenvermerk vom 12. September 2002) von der Behörde erster
Instanz mitgeteilt worden, dass die Bezirkshauptmannschaft Mödling
als Fremdenbehörde im Sinn des § 89 Abs. 2 FrG für die Erledigung
des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht
zuständig sei, weil eine gleichgeschlechtliche Ehe keinesfalls von
den Bestimmungen des § 47 Abs. 2 und 3 FrG bzw. den in diesem
Zusammenhang stehenden „EU-Verordnungen bzw. EU-Richtlinien“
umfasst sei. Ein anderer Zuständigkeitstatbestand nach § 89
Abs. 2 FrG sei nicht zu ersehen. Der Beschwerdeführer habe
mitgeteilt, auf einer schriftlichen Entscheidung zu bestehen.

Beim Beschwerdeführer handle es sich – so die weitere
Begründung der belangten Behörde – nicht um einen Angehörigen
eines EWR-Bürgers im Sinn des § 47 Abs. 3 FrG. Der Begriff des
begünstigten Drittstaatsangehörigen orientiere sich an den
maßgeblichen Bestimmungen des EG-Vertrages sowie den
Sekundärrechtsakten, z.B. der Verordnung (EWG) 1612/68 des Rates
vom 15. Oktober 1968. Die Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes gehe nach wie vor vom konventionellen Begriff der
Ehe aus. Es würden weder „homosexuelle Ehen noch sonstige
Lebensgemeinschaften“ als Grundlage für die Eigenschaft als
Familienangehöriger anerkannt. Im Ergebnis erwachse somit im
konkreten Fall weder aus dem europäischen „Primär- und
Sekundärrecht“ noch aus § 47 Abs. 3 FrG ein Freizügigkeitsrecht.
Insofern bestehe keine Zuständigkeit nach § 89 Abs. 2 Z 1 FrG.
Auch die maßgeblichen österreichischen Rechtsnormen gingen im
Zusammenhang mit dem Begriff „Ehegemeinschaft“ von der
traditionellen Gemeinschaft heterosexueller Beziehungen aus. Auch
aus dem „Sitzabkommen“ zwischen der Europäischen
Patentorganisation und der Republik Österreich sei keine
Niederlassungsfreiheit im Sinn des § 47 Abs. 2 FrG abzuleiten.

Somit sei die Behörde erster Instanz als Fremdenbehörde nach
§ 89 Abs. 2 FrG zur Erledigung des vorliegenden Antrages auf
Erteilung einer Niederlassungsbewilligung „Familiengemeinschaft
mit einem EWR-Bürger“ nicht zuständig. Zuständig wäre im Sinn des
§ 89 Abs. 1 FrG der Landeshauptmann von Niederösterreich bzw. die
von ihm ermächtigte Behörde gewesen. Der Beschwerdeführer habe –
wie erwähnt – auf der Erledigung des Antrags durch die
Fremdenbehörde beharrt, weshalb eine Weiterleitung des Antrags
nach § 6 AVG nicht in Betracht gekommen und die Verpflichtung zur
Fällung einer Zuständigkeitsentscheidung in Form einer
Zurückweisung des Antrags ausgelöst worden sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid an
ihn gerichtete Beschwerde mit Erkenntnis vom 14. Oktober 2004,
B 1512/03-6, abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur
Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der
Verwaltungsakten über die ergänzte Beschwerde erwogen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des FrG (in der Fassung
BGBl I Nr. 126/2002) lauten auszugsweise:

„§ 47. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige
eines Drittstaates sind, unterliegen der Sichtvermerkspflicht.
(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind,
genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3)
Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung
auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung
oder Sicherheit gefährdet. …
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende
Angehörige eines EWR-Bürgers:
1. Ehegatten;

§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit
Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen trifft
der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im
Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der
Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit
Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen
zu entscheiden.
(1a) …
(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit
Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen trifft
jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich
einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den
Aufenthaltstitel
1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem
4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt;
…“

Der Beschwerde kommt – unabhängig von der Beantwortung der
Frage, ob der Angehörigenbegriff „Ehegatte“ des § 47 Abs. 3
Z 1 FrG auch den Partner in einer gleichgeschlechtlichen, in den
Niederlanden geschlossenen Ehe umfasst – Berechtigung zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis eines
verstärkten Senates vom 30. Mai 1996, Zl. 94/05/0370,
Slg 14.475 A, zum Ausdruck gebracht, ein Spruch, mit dem eine
Berufung zurückgewiesen werde, könne grundsätzlich nicht in der
Weise umgedeutet werden, dass er eine bloße Feststellung der
Unzuständigkeit der Berufungsbehörde darstelle, die nicht als
abschließende Entscheidung über die Berufung qualifiziert werden
könne. Aus diesem Grund sei die Zurückweisung einer Berufung durch
die angerufene unzuständige Behörde auch dann unzulässig, wenn die
Partei auf einer Entscheidung dieser Behörde beharre. Vielmehr
habe die unzuständige Berufungsbehörde in jedem Fall die Berufung
gemäß § 6 AVG an die zuständige Berufungsbehörde zu übermitteln.

Nichts anderes gilt für die an eine unzuständige
erstinstanzliche Behörde gerichteten Anträge (vgl. das
hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2001, Zl. 2000/19/0131). Wie in
diesem dem zitierten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall hätte die
erstinstanzliche Behörde – ausgehend von ihrer Auffassung, der
Beschwerdeführer sei kein begünstigter Drittstaatsangehöriger –
den Antrag gemäß § 6 AVG dem Landeshauptmann zur Entscheidung, ob
eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt werde, zu
übermitteln gehabt, weil der Umstand, dass ein Fremder nicht dem
Kreis begünstigter Drittstaatsangehöriger angehört, nicht dazu
führt, dass ihm schlechthin keine Niederlassungsbewilligung
erteilt werden könnte (vgl. auch dazu das Erkenntnis
Zl. 2000/19/0131). Die belangte Behörde war im Instanzenzug zu
einer Zurückweisung des in Rede stehenden Antrages nicht
berechtigt; sie hätte vielmehr die erstinstanzliche
Sachentscheidung einer – ihrer Ansicht nach auf Basis der damals
geltenden Rechtslage – unzuständigen Behörde ersatzlos zu beheben
gehabt, was die belangte Behörde (rechtlich) verkannt hat.

Im Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2002/12/0268, hat der
Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Beharren des
Antragstellers nicht zu einer Entscheidungsberechtigung der
unzuständigen Behörde führt. Es ist somit unerheblich, ob der
Beschwerdeführer – von der belangten Behörde behauptet und von ihm
in der Beschwerde bestritten – auf einer Entscheidung durch die
Behörde erster Instanz beharrt hat.

Angesichts der Änderung sowohl der nationalen Rechtslage
(durch das am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Niederlassungs-
und Aufenthaltsgesetz, das nach § 81 Abs. 1 auch für anhängige
Verfahren gilt) als auch des Gemeinschaftsrechtes (durch die
Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer
Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten
frei zu bewegen und aufzuhalten, mit der unter anderem die
VO 1612/68 geändert wurde), kann eine anhand des FrG und der
VO 1612/68 vorzunehmende (nicht mehr aktuelle) Beurteilung, ob der
Begriff „Ehe“ auch auf eine gleichgeschlechtliche Verbindung wie
die vorliegende anzuwenden gewesen wäre, unterbleiben, zumal das
bejahendenfalls auch zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides
geführt hätte.

Wie vorhin dargelegt war der angefochtene Bescheid jedenfalls
wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG
aufzuheben.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß
§ 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der
VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war
abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im pauschalierten Aufwandersatz
bereits enthalten ist.

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