„Es ist uns unbegreiflich, warum der Verfassungsgerichtshof die ohnehin unausweichliche Aufhebung des menschenrechtswidrigen Paragraphen 209 weiter hinauszögert und damit weitere Opfer bewußt in Kauf nimmt“, kommentiert HOSI-Wien-Obmann Christian Högl den Umstand, daß der VfGH diese Woche seine Entscheidung auf die nächste Session vertagt hat.
„Ddenn der Ausgang der Sache ist von internationalen Menschenrechtsorganen wie der Europäischen Menschenrechtskommission und dem UNO-Ausschuß für Menschenrechte ohnehin bereits vorweggenommen worden. Alles andere als die Feststellung der Menschenrechts- und Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung würde die Blamage des VfGH nur vergrößern. Die Sache ist längst entschieden und daher auch für den VfGH entscheidungsreif.“
Keine Urteile in 209er-Verfahren mehr bis zur endgültigen Aufhebung
„Wir appellieren daher an Österreichs Richter und Richterinnen“, erklärt Högl weiter, „bis zur endgültigen Aufhebung des § 209 StGB durch den VfGH keine Urteile in 209er-Verfahren mehr zu fällen. Angesichts dieser nicht nachvollziehbaren Verzögerung sind Österreichs Richter und Richterinnen jetzt aufgefordert, sich der Haltung des Oberlandesgerichts Innsbruck anzuschließen, das sich wegen verfassungsmäßiger Bedenken geweigert hat, § 209 anzuwenden. Es geht darum, den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen. Wer jetzt noch neue Opfer produziert, macht sich doppelt schuldig!“
Machtwort des Justizministers nötig
„Wir erwarten uns auch entsprechende Schritte Justizminister Dieter Böhmdorfers“, meint Högl weiter. „Durch Weisungen an die Staatsanwaltschaften soll er für ein Anklage- und Verurteilungsmoratorium in Sachen § 209 bis zur Entscheidung des VfGH sorgen.“ Die HOSI Wien wird noch dieses Wochenende ein diesbezügliches Schreiben an Böhmdorfer faxen.
Nicht ohne Gesichtsverlust
„Das jetzige Zaudern des VfGH hängt wohl ursächlich auch damit zusammen, daß er sein eigenes, skandalöses Fehlurteil aus 1989, mit dem er § 209 für verfassungskonform erklärte, umstoßen muß“, ergänzt HOSI-Wien-Generalsekretär Kurt Krickler, „aber ein weiteres Festklammern an dieser menschenrechtswidrigen Bestimmung verschlimmert die Sache bloß. Das beste, was der VfGH in der jetzigen Situation tun und wodurch er sein beschädigtes Ansehen wiederherstellen kann, ist, die Fehlentscheidung aus 1989 einzubekennen und sich bei allen Opfern offiziell zu entschuldigen. Jeder Jusstudent im ersten Semester kann anhand der Unterlagen des Verfahrens vor dem VfGH im Jahre 1989 das Fehlurteil objektiv analysieren. Wir wissen doch alle, daß die sogenannte Prägetheorie, die ohnehin nie mehr als eine – höchst unwissenschaftliche – These war und auf die sich der VfGH 1989 noch berief, nicht erst in den letzten dreizehn Jahren widerlegt worden ist, sondern schon damals längst obsolet war.“