Mit dem heute vom Nationalrat beschlossenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wurden auch drei EU-Richtlinien (2003/86, 2003/109 und 2004/38), durch die u. a. die Niederlassungsfreiheit und Familienzusammenführung von EWR-BürgerInnen und Drittstaatsangehörigen innerhalb der EU neu geregelt werden, in österreichisches Recht umgesetzt. Diese Regelungen betreffen aufgrund der in den Richtlinien vorgesehenen Angehörigendefinitionen auch Lesben und Schwule. „Obwohl bereits in 15 der betroffenen 28 EU- bzw. EWR-Staaten (und der Schweiz) gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften rechtlich anerkannt werden – in drei sogar die standesamtliche Ehe geöffnet ist –, hat der österreichische Gesetzgeber diese Entwicklungen völlig ignoriert und so getan, als gebe es diese neuen Rechtsinstitute in halb Europa nicht“, kritisiert Kurt Krickler, Generalsekretär der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien, das heute beschlossene Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. „Einmal mehr hat Österreich nur das absolute Minimum von dem umgesetzt, was die EU vorschreibt.“
„EWR-BürgerInnen, die ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit in Anspruch nehmen und nach Österreich ziehen wollen, räumt das neue Gesetz z. B. selbst dann keinen Rechtsanspruch auf Familiennachzug ihrer gleichgeschlechtlichen PartnerInnen ein, wenn sie in ihrem Herkunftsland eine eingetragene PartnerInnenschaft eingegangen sind. Das betrifft immerhin Deutschland, Frankreich, die fünf nordischen Länder und demnächst Großbritannien und die Schweiz. Auch darüber, ob gleichgeschlechtliche Ehegatten aus den Niederlanden, Belgien und demnächst Spanien in Österreich für den Zweck der Niederlassung anerkannt werden, schweigt sich das Gesetz verschämt aus.“
Auch was die Rechte der sogenannten langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen anbelangt, die länger als fünf Jahre legal in einem EU-Land leben, hat die Bundesregierung mit ihrer Minimalumsetzung der Richtlinie 2003/109 und unter Ausnutzung sämtlicher darin vorgesehener Ausnahmemöglichkeiten deren Intentionen komplett unterlaufen.
„Dass der Frust über die EU immer größer wird“, so Krickler abschließend, „ist da nicht weiter verwunderlich: Wenn es um eines der wichtigsten und ureigensten Rechte der EU-BürgerInnen geht, nämlich darum, sich frei in der gesamten EU zu bewegen, werden alle möglichen Barrieren aufgebaut, während es für LKW, Kapital oder höchst umstrittene Produkte, wie etwa gentechnisch veränderte Lebensmittel keinerlei Beschränkungen gibt. Aber einmal mehr zeigt sich, dass dafür nicht Brüssel, sondern die einzelnen Mitgliedsstaaten verantwortlich sind.“
Relevante Unterlagen zum NAG sowie eine zusammenfassende Darstellung der für Lesben und Schwule wichtigen Neuerungen finden sich hier:
Exposé
NAG-Zusammenfassung (HOSI Wien)
Bundesgesetzblatt
Regierungsvorlage
Erläuterungen dazu
EU-Richtlinien: 2003-86, 2003-109 und 2004-38
Freizügigkeit für Regenbogenfamilien innerhalb der EU – Leitfaden der ILGA-Europa