Heute, 21. Oktober 2009, beschloss der Nationalrat das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz, durch das NS-Unrechtsurteile, die zwischen dem 12. März 1938 und dem 8. Mai 1945 gefällt wurden, „rückwirkend als nicht erfolgt“ aufgehoben werden (können). Hauptgrund für das Gesetz war die entsprechende Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren, es umfasst jedoch auch „alle verurteilenden Entscheidungen, soweit diese wegen gleichgeschlechtlicher Handlungen erfolgten, sofern die der Verurteilung zugrundeliegende Tat nach den geltenden Bestimmungen nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht wäre“ (§ 1 Abs. 2 Z 3 des Gesetzes).
Die Einschränkung zielt darauf ab, dass keine Urteile wegen unfreiwilliger, also mit Gewalt verbundener homosexueller Handlungen sowie wegen Handlungen mit Unmündigen unter 14 Jahren aufgehoben werden, da solche Handlungen auch heute strafbar sind.
Die Aufhebung eines solchen Unrechtsurteils erfolgt grundsätzlich nur auf Antrag des Opfers selbst oder bestimmter Angehöriger und Nachkommen. Aufgrund eines solchen Antrags hat das Landesgericht für Strafsachen Wien durch einen Einzelrichter mit Beschluss festzustellen, dass die Verurteilung als nicht erfolgt zu gelten hat.
Wegen besagter Einschränkung muss bei Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen vor Aufhebung eines Urteils eine Einzelfallprüfung durch das Gericht vorgenommen werden, es sei denn, es handelte sich seinerzeit um eine „verurteilende Entscheidung der Sonder- und Standgerichte, des Volksgerichtshofs und der Oberlandesgerichte, soweit ihnen Strafsachen, die in die Zuständigkeit des Volksgerichtshofs fielen, abgetreten worden sind“ (§ 1 Abs 2 Z 1).
Zumindest die Rehabilitierung der homosexuellen NS-Opfer ist damit abgeschlossen. Im Juli 2005 hatte die HOSI Wien ja einen ersten großen Erfolg verbuchen können, als durch das Anerkennungsgesetz 2005 das Opferfürsorgegesetz dahingehend novelliert wurde, dass nunmehr auch wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgte NS-Opfer nach diesem Gesetz anerkannt werden.
Doch einige unserer Forderungen nach voller Rehabilitierung aller Opfer staatlicher Verfolgung im 20. Jahrhundert und nach einer Entschuldigung des offiziellen Österreichs bei allen Opfern sowie nach finanzieller Entschädigung, wie sie von der HOSI Wien in einer Entschließung auf ihrer Generalversammlung im März 2002 formulierte wurden (nachzulesen im vollen Wortlaut hier), sind noch immer nicht erfüllt.
Denn die heute beschlossene Aufhebung der Urteile bezieht sich ja nur auf den Zeitraum des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland. Homosexuelle Handlungen waren indes nach demselben Gesetz – § 129 I B StG – auch vor dem 12. März 1938 und nach dem 8. Mai 1945, nämlich bis 1971 strafbar. Und die gerichtlichen Verurteilungen (natürlich nicht die Einlieferung in Konzentrationslager ohne Gerichtsurteil bzw. im Rahmen der sogenannten Schutzhaft nach Verbüßung der gerichtlich verhängten Strafe) unterschieden sich ja vor und nach der Nazi-Ära nicht wirklich von jenen während der Zeit des Anschlusses. Daher hat die HOSI Wien ja stets gefordert, alle Opfer der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Handlungen nach 1918 – und bis 2002, als der § 209 aufgehoben wurde –, zu rehabilitieren und zu entschädigen und die Urteile als Unrechtsurteile aufzuheben (sofern es sich nicht um unfreiwillige Handlungen oder solche mit Unmündigen unter 14 Jahren handelte).
Schon unter Justizministerin Karin Gastinger (BZÖ) war die HOSI Wien mit dieser Forderung zumindest in Hinblick auf die Tilgung solcher Verurteilungen im Strafregister – durch einen Gnadenakt des Bundespräsidenten auf Vorschlag des Justizministeriums – erfolgreich gewesen. Aber eine Aufhebung der Urteile im Sinne des Gesetzes vom Oktober 2009, nämlich dass sie rückwirkend als nicht erfolgt gelten, steht für die Zeiträume vor 1938 und nach 1945 noch aus. Die HOSI Wien wird daher auch auf diesem Gebiet weiterkämpfen.