Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien

1. Lesben- und Schwulenverband Österreichs

Rehabilitierung der Strafrechts-Opfer: Mehrheit der Verurteilungen getilgt

Justizministerin Karin Gastinger (Foto: BZÖ)

Bei der am 19. September 2006 stattgefundenen Podiumsdiskussion der HOSI Wien zur Nationalratswahl berichtete BZÖ-Vertreter Norman Schadler, Vize-Kabinettschef von Justizministerin Karin Gastinger, auch über die bisherigen Bemühungen des Justizministeriums – und deren Ergebnisse – in Sachen Rehabilitierung jener Personen, die vor 2002 nach den anti-homosexuellen Strafrechtsbestimmungen verurteilt wurden. Die HOSI Wien hatte ja noch vor der Aufhebung des § 209 StGB auf ihrer Generalversammlung 2002 in einer Entschließung eine umfassende Rehabilitierung der Opfer der strafrechtlichen Verfolgung gefordert. Seither hat die HOSI Wien diese Forderung auch mehrfach an Justizministerin Karin Gastinger herangetragen, etwa bei einem Gesprächstermin bei ihr im August 2004 (vgl. Aussendung vom 12. August 2004).

Mangelhafter Grün-Antrag

Auch nachdem ein Antrag der Grünen auf Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs im September 2005 im Justizausschuss des Nationalrats von der ÖVP/BZÖ-Mehrheit abgelehnt worden war (siehe Aussendung vom 21. 9. 2005), schrieben wir in dieser Angelegenheit nochmals an Gastinger (vgl. LN 6/05, S. 13). In ihrer Antwort begründete Gastinger die Ablehnung des grünen Antrags damit, dass darin nicht vorgesehen war, jene Personen von einer Rehabilitierung auszuschließen, die vor 1971 nach dem Totalverbot wegen sexueller Handlungen mit Personen unter 14 Jahren verurteilt worden waren, wobei Gastinger anerkannte, dass ein solcher Ausschluss in der Resolution der HOSI Wien an und für sich vorgesehen ist (vgl. LN 1/06, S. 12). Leider haben die Grün-Abgeordneten hier gepfuscht und damit der ÖVP und dem BZÖ einen willkommenen Vorwand geliefert, die Rehabilitierung insgesamt abzublocken.

Dennoch war das Justizministerium nicht völlig untätig, wie Schadler vergangenen September im HOSI-Zentrum berichtete: Im Auftrag von Justizministerin Gastinger sei im Herbst 2005 das Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien zur tilgungsrechtlichen Aufarbeitung der Eintragungen im Strafregister beauftragt worden. Ausgangspunkt seien 1434 einschlägig Verurteilte gewesen. Diese Zahl habe aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch das Bundesministerium für Inneres gestammt. Allerdings habe sich herausgestellt, dass sich diese Zahl nicht auf die Zahl der Verurteilten, sondern auf die Zahl der Verurteilungen bezogen habe. Tatsächlich seien nach Überprüfung im Oktober 2005 nur 989 einschlägig Verurteilte im Strafregister dokumentiert gewesen. Bisher sei die Registrierung von 187 Personen durch Behebung von Mängeln bzw. durch Tilgungseintritt behoben worden. Die Arbeiten zur Korrektur von Registermängeln seien noch nicht abgeschlossen. Dennoch könne davon ausgegangen werden, dass im Oktober 2005 (zu Beginn dieser Arbeiten seitens des Justizministeriums) knapp 800 einschlägig Verurteilte zu Recht im Strafregister dokumentiert waren.

Einzelfallprüfung

Es habe sich auch als unrichtig herausgestellt, dass in all den erwähnten 1434 Fällen ein Verstoß gegen die anti-homosexuellen Bestimmungen jeweils das führende Delikt gewesen sei. Das seinerzeit verwendete Suchprogramm habe in dieser Richtung gar keine Differenzierung zugelassen.

Außerdem sei zu bedenken, dass das vor 1971 geltende Totalverbot (§ 129 I lit b StG) auch auf homosexuellen Missbrauch Unmündiger (Unter-14-Jähriger) und Vergewaltigungen angewendet wurde. Ebenso seien unter den Verurteilungen nach § 209 StGB u. a. auch solche wegen geschlechtlicher Nötigung des jugendlichen Opfers erfolgt. Um jene Verurteilten rehabilitieren zu können, bei denen diese Sonderaspekte nicht vorliegen und die Anwendung einschlägiger Bestimmungen daher als Eingriff in ihre Menschenrechte gewertet werden müsse, werde seit Oktober 2005 eine Einzelfallüberprüfung aller Verurteilungen durchgeführt. In all jenen Fällen, wo keine der erwähnten Aspekte vorliegen, es sich also um Sexualkontakte zwischen zustimmenden Über-14-Jährigen handelte, werde ein auf Tilgung der betreffenden Verurteilung gerichteter Gnadenvorschlag an den Bundespräsidenten erstattet. Ob das abgeurteilte Sexualverhalten als führendes Delikt im Sinne der Kriminalstatistik anzusehen wäre oder nicht, sei dabei unerheblich und bleibe daher unberücksichtigt.

Demnach würden auch Verurteilte zur Begnadigung vorgeschlagen, die andere Delikte zu verantworten hatten. Trifft der Schuldspruch wegen eines einschlägigen Deliktes also mit dem wegen anderer strafbarer Handlungen minderschwerer Art zusammen, so insbesondere mit Diebstahl, Betrug oder leichter Körperverletzung, erfolge grundsätzlich ein Gnadenvorschlag. Ein solcher unterbleibe hingegen, wenn der Verurteilte im selben Urteil einer strafbarer Handlung schuldig erkannt wurde, die einen gravierenden Eingriff in die Menschenrechte anderer bedeutete.

Erfolg für die HOSI Wien

Zusammenfassend konnte Schadler daher der HOSI Wien die doch erfreuliche Mitteilung machen, dass bei 187 der erwähnten 989 Verurteilten deren Verurteilungen durch Behebung von Mängeln bzw. durch Tilgungseintritt behoben worden und für weitere 564 Verurteilte Gnadenvorschläge erstattet und vom Bundespräsidenten durchwegs genehmigt worden seien. Das heißt, dass nach derzeitigem Stand noch 238 Verurteilte übriggeblieben seien, bei denen nach Ansicht des Justizministeriums eine Tilgung nicht vertretbar sei.

Schadler meinte in diesem Zusammenhang, dass das Ministerium damit dem berechtigten Ansinnen der HOSI Wien nachgekommen sei und die Justizministerin ihr Versprechen eingelöst habe. Damit sei zumindest die Frage der Tilgung und Rehabilitierung gelöst. Außerdem merkte er noch an, dass 60 % der Verurteilungen länger als 30 Jahre zurücklägen.

Was die Frage finanzieller Entschädigung für die Betroffenen anlangt, die die HOSI Wien ebenfalls einfordert, werden wir wohl weiterkämpfen müssen. Aber die nunmehr erfolgte systematische Überprüfung der Verurteilungen und der Tilgung in jenen Fällen, in denen auch wir dies für vertretbar halten, ist ein erster Erfolg und ein erster Schritt bei der Umsetzung unserer Resolution aus 2002.

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