Die mit diesem Antrag geplanten Maßnahmen sind aus Sicht der LGBTIQ-Community in mehrerlei Hinsicht bedenklich. Wie die Bundesarbeitskammer in ihrer öffentlichen Stellungnahme vom 21.6.2018 zusammengefasst hat, würde eine Annahme des Antrags bedeuten, dass der 12-Stunden-Arbeitstag de facto einseitig von Seiten der Unternehmen angeordnet werden kann und bis zu 60 Stunden Wochenarbeitszeit möglich sind, solange diese im 17-Wochen-Durchschnitt nicht mehr als 48 Stunden beträgt. Im gleichen Zuge würden die Ablehnungsrechte der Arbeitnehmer*innen dahingehend geschwächt, dass diese eigene Interessen, die jenen des Betriebes überwiegen, geltend machen müssten, was im Streitfall bedeutet, dass sie das Risiko einer fristlosen Entlassung tragen, bis eine entsprechende Judikatur vorliegt.
Als Interessenvertretung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen nehmen wir keine detaillierte arbeitsrechtliche Analyse der einzelnen Maßnahmen vor, sondern beschränken uns darauf, auf die Auswirkungen auf die LGBTIQ-Community hinzuweisen. Zunächst ist auf die besondere Problematik der Arbeitswelt für Menschen mit von der Mehrheit abweichender sexueller Orientierung bzw. Geschlechtsidentität hinzuweisen: Wie die Studie „Queer in Wien“ des IHS im Auftrag der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen (WASt) bereits 2015 festgestellt hat, ist rund der Hälfte von ihnen kein Coming-out am Arbeitsplatz möglich. Dieses Verstecken bedeutet für LGBTIQ-Personen eine kontinuierliche psychische Belastung, die vor allem durch unfreiwillig verlängerte Arbeitszeiten noch einmal verlängert und dementsprechend verschärft wird.
Darüber hinaus ergibt sich durch eine Verlängerung der Arbeitszeiten ein überindividuelles Problem für die LGBTIQ-Community: Anders als in vielen anderen westlichen Ländern werden ihre Organisationen in Österreich zum größten Teil von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen getragen. Wenn diese weniger Freizeit haben, so können sie sich zwangsläufig weniger ehrenamtlich betätigen. Dadurch würden viele Vereine in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, ihre wichtige Arbeit fortzuführen. Ganz besonders schädliche Auswirkungen hätte das, wenn dadurch Unterstützungsangebote reduziert werden müssen, was besonders gefährdete LGBTIQ-Personen naturgemäß am härtesten träfe, so etwa LGBTIQ-Jugendliche, deren Suizidversuchsrate nachweislich mehrfach höher als bei jenen, die heterosexuell bzw. cisgender sind. Angesichts des sonst üblichen Stolzes auf das traditionell starke ehrenamtliche Engagement der Österreicher*innen halten wir das für einen Schildbürgerstreich, noch dazu einen, der das Potenzial hat, Jugendliche zu gefährden.
Im Übrigen ist die Vorgangsweise, diesen Antrag ohne ordentliche Begutachtung verabschieden zu wollen, ein Affront gegenüber der Zivilgesellschaft, ebenso wie die komplette Negierung der Sozialpartnerschaft. Nicht zuletzt deswegen lehnen wir diesen Antrag ab, denn eine Änderung der Arbeitsbedingungen, ohne die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen, die damit auch lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, intergeschlechtliche und queere Arbeitnehmer*innen vertritt, schadet dem sozialen Frieden im Land und bedeutet einen gesellschaftlichen Rückschritt.