Mit dem Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013 (AdRÄG 2013) soll in Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 19. 2. 2013 in der Beschwerde X u. a. gegen Österreich die Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare rechtlich ermöglicht werden. Der vom Bundesministerium für Justiz vorgelegte Gesetzesentwurf konnte bis 21. Mai 2013 begutachtet werden. Die HOSI Wien beteiligte sich am Begutachtungsverfahren und übermittelte die untenstehende Stellungnahme. Der vorgeschlagene Gesetzestext sowie sämtliche Stellungnahmen sind unter www.parlament.gv.at verfügbar.
Stellungnahme im Rahmen des Begutachtungsverfahrens
zum Entwurf eines Bundesgesetzes,
mit dem das ABGB und das EP-Gesetz geändert werden
(Adoptionsrechts-Änderungsgesetz 2013)
GZ: BMJ-Z4.500/0044-I 1/2013
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien begrüßt grundsätzlich die geplante Novelle, mit der das Urteil des EGMR in der Beschwerde 19010/07 umgesetzt wird und die Adoption des leiblichen Kindes des Partners/der Partnerin durch den/die andere/n Partner/in in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft bzw. eingetragenen Partnerschaft ermöglicht wird.
Da mit dieser Umsetzung ein Paradigmenwechsel erfolgt und in Zukunft im österreichischen Kindschaftsrecht ohnehin vorgesehen sein wird, dass ein Kind auch de jure zwei Elternteile des gleichen Geschlechts haben kann, ist nicht wirklich nachvollziehbar, warum die vorliegende Gesetzesnovelle diese neue Möglichkeit nur äußerst restriktiv vorsieht. Wir schlagen daher folgende Änderungen bzw. Klarstellungen vor:
1) gemeinsame Fremdkindadoption durch eingetragene Paare – entsprechende Ergänzung im § 197 Abs. 2 ABGB; ersatzlose Streichung des § 8 Abs. 4 EP-G
Wir empfinden ein grundsätzliches rechtliches Verbot der gemeinsamen Fremdkindadoption durch gleichgeschlechtliche Paare als diskriminierend, weil es durch keinerlei seriöse oder redliche Argumente zu rechtfertigen ist. Es geht hier um ein prinzipielles Recht, wiewohl es in der Praxis aufgrund der geringen Zahl adoptierbarer Kinder ohnehin kaum bis gar keine Rolle spielen wird.
Wir halten es zudem für problematisch, durch diese Bestimmungen die sukzessive Stiefkindadoption weiterhin zu untersagen (wie in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ausgeführt wird), da dies menschenrechts- und verfassungswidrig ist, wie auch der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof in einer am 19. Februar d. J. veröffentlichten Entscheidung für Deutschland festgestellt hat. Wir gehen davon, dass dasselbe auch in Österreich zutrifft.
2) Berücksichtigung von Stiefkindern im Eingetragene Partnerschafts-Gesetz (EP-G)
Da nun auch in einer EP die Adoption von Stiefkindern durch den Partner/die Partnerin ermöglicht wird, muss der rechtliche Status von Kindern in einer EP dem von Kindern in einer Ehe gleichgestellt werden. Wir fordern deren Berücksichtigung in allen betroffenen Bestimmungen. Hier eine Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
EP-G § 8, Abs. 3 (Rücksicht auf das Kindeswohl bei Ausgestaltung der EP)
EP-G § 9, Abs. 4 (Bezugnahme auf Kindeswohl bei gesonderter Wohnungsnahme)
FLGA §§ 5, 6, 9a, 46a (Unterhaltsanspruch des Kindes, Mehrkinderzuschlag)
ASVG § 123, GSVG § 83, BSVG § 78 (Mitversicherung der Stiefkinder in der Krankenversicherung)
AVRAG § 14a, 14b, BDG § 78d, VBG § 29k, § 39t Abs. 10, LAG § 39u, RStDG § 75e, LDG § 59d, LLDG § 66d (Familienhospizkarenz)
BDG §§ 50b, 75, VBG § 29b, GehaltsG § 10 (Arbeitszeitreduktion oder Karenz zur Pflege des Stiefkindes)
PensionsG § 18, 24, 25, 48 (Kinderzulage bei Witwen-/Witwerpensionen)
3) Ko-Adoption durch eine (Einzel-)Person des gleichen Geschlechts außerhalb einer Lebensgemeinschaft oder eingetragenen Partnerschaft
Da, wie erwähnt, durch die nunmehr notwendig gewordene Gesetzesänderung ohnehin die absolute Prämisse aufgehoben wird, ein Kind könne rechtlich nur zwei Elternteile verschiedenen Geschlechts haben, schlagen wir vor, die Möglichkeit der Adoption grundsätzlich durch eine zweite Person unabhängig vom Geschlecht zu ermöglichen, etwa im Verwandtenkreis. Derzeit kann eine Frau zum Beispiel nur die Neffen und Nichten eines (verwitweten) Bruders als Wahlkinder annehmen, nicht aber die ihrer (verwitweten) Schwester, weil sie als Wahlmutter (und Tante) nicht den (verstorbenen) Vater ersetzen kann und die Kinder ohnehin eine (leibliche) Mutter haben. Ebenso kann ein Onkel als Wahlvater nur an die Stelle des Schwagers, aber nicht der Schwägerin treten.
Da die HOSI Wien stets den Standpunkt vertritt, Privilegien der Ehe bzw. der Lebensgemeinschaft nicht bloß auf gleichgeschlechtliche Beziehungen auszudehnen, sondern – je nach Möglichkeit – uneingeschränkt auf alle Personen zu erweitern, fänden wir eine solche Adoptionsmöglichkeit, zu der ja ohnehin der/die leibliche/n Elternteil/e die Zustimmung geben müsste/n, eine durchaus vernünftige Option. Soweit wir dies überblicken, wären dazu auch keine Änderungen im Wortlaut des Gesetzes, sondern nur entsprechende Klarstellungen in den Erläuterungen nötig.
Eventuell könnte man im § 197 Abs. 3 ABGB im ersten Satz präzisieren: „Wird das Wahlkind nur durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen, so erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen nach Maßgabe des Abs. 2 hinsichtlich des verdrängten [besser: „ersetzten“] leiblichen Elternteils.“