Die HOSI Wien begrüßt die Aufnahme von „sexueller Ausrichtung“ als Nichtdiskriminierungskategorie in den Verfassungsentwurf (Artikel 34), würde jedoch den seit Jahrzehnten gebräuchlichen und allgemein verwendeten Ausdruck „sexuelle Orientierung“ vorziehen.
„Ausrichtung“ ist zwar eine korrekte deutsche Übersetzung von „Orientierung“, wurde jedoch weder in den Wissenschaften noch von der Bewegung je in diesem Sinne verwendet und könnte daher zu Interpretationsmissverständnissen führen, da „sexuelle Orientierung“ längst allgemein gültig als „hetero-, bi- bzw. homosexuell“ definiert ist.
(„Ausrichtung“ in diesem Zusammenhang wurde offenbar vom Übersetzerdienst der EU vor einigen Jahren „erfunden“ und tauchte erstmals im Artikel 13 EG-Vertrag auf. Die HOSI Wien appelliert jedoch, auf „Ausrichtung“ zugunsten von „Orientierung“ zu verzichten.)
Artikel 59 unklar
Nicht ganz nachvollziehbar ist für uns die von einer Wiener Gruppierung geäußerte Kritik, Artikel 59 würde das Recht auf Eheschließung ausdrücklich auf Ehen zwischen Mann und Frau einschränken. Im Absatz 1 im Artikel 59 es Entwurfs heißt es ja bloß: „Mit Erreichung des gesetzlich zu bestimmenden Alters haben Frau und Mann das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“ Durchaus möglich, dass Fiedler diese Einschränkung beabsichtigt, aber dann hätte er denn Satz anders formulieren müssen. Noch weniger können wir im Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aus dem Jahre 1950 eine derartige Einschränkung herauslesen, wo die Subjekte in der Mehrzahl vorkommen: „Mit Erreichung des heiratsfähigen Alters haben Männer und Frauen gemäß den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“ Dieser Artikel in der EMRK besagt keineswegs, dass nach den einschlägigen nationalen Gesetzen Ehen nur zwischen verschiedengeschlechtlichen Personen erlaubt sein können.
Auf jeden Fall lehnt die HOSI Wien die im Fiedler-Entwurf vorgesehene Privilegierung der Ehe (Artikel 59 Absatz 2) strikt ab.
HOSI Wien vertraut auf SPÖ
Die HOSI Wien geht aber davon aus, dass die SPÖ, deren Stimmen für die Verabschiedung einer neuen Verfassung notwendig sind, ohnehin keiner Verfassung zustimmen wird, in der eine Diskriminierung von Lesben und Schwulen verankert werden würde. Zudem handelt es sich bei dem heute vorgelegten Entwurf Fiedlers um seinen privaten Entwurf und nicht um einen offiziellen Entwurf des Österreich-Konvents.
Siehe dazu auch unsere Aussendung vom 15. Dezember 2003.