Erste Global Pride weltweit am 27. Juni, in Wien mit fahrendem Regenbogen-Corso mit über 100 Beiträgen – Solidarität mit Black Lives Matter
Nachdem wegen Corona hunderte Prides auf der ganzen Welt abgesagt werden mussten, haben die internationalen Pride-Dachverbände EPOA und InterPride für den 27. Juni die erste Global Pride organisiert. Dabei handelt es sich um ein Online-Streaming-Event mit Beiträgen von über 500 Prides weltweit und 200-300 Mio. erwarteten Impressionen, das je nach Gegebenheiten vor Ort durch lokale Aktionen ergänzt wird. In diesen Beiträgen werden Musiker*innen, Künstler*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen auftreten und ihre Unterstützung für Gleichberechtigung und Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transgender, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ-)Menschen zeigen.
„Wir freuen uns, bekanntgeben zu dürfen, dass Vienna Pride mit zwei Beiträgen international präsent sein wird: mit einer Rede von Bundespräsident Alexander van der Bellen und einem Auftritt von Conchita Wurst zwischen 20:00 und 21:00 Uhr MEZ“, sagt Katharina Kacerovsky, Geschäftsführerin der Stonewall GmbH und Organisatorin von Vienna Pride in der heutigen Pressekonferenz. Und sie erklärt, wieso gerade in Zeiten von Corona die Pride so wichtig ist: „Hunderte Prides mussten weltweit abgesagt werden, die sonst so präsente Sichtbarkeit wurde reduziert, in Polen bestehen bis heute die sogenannten ‚LGBT-freie Zonen‘, während dort Reiseverbote bestanden, in Ungarn wurden transgender Personen ihre Rechte aberkannt und in manchen Ländern wird Schwulen die Schuld an Corona in die Schuhe geschoben. Aber die LGBTIQ-Community ist stark und hat andere Wege gefunden, um sich auch in diesen Zeiten zu bestärken, in Kontakt zu bleiben und sichtbar zu sein.“
Regenbogen-Corso statt Parade: rund 200 Fahrzeuge bei der Demo
Aber nicht nur vor dem Bildschirm wird so Sichtbarkeit geschaffen: Statt der Regenbogenparade hat die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien diesmal einen fahrenden Regenbogen-Corso als Demonstration organisiert, der von 17:00 bis 18:30 fünfmal andersrum, also gegen die Fahrtrichtung, den Ring umrunden wird. Obfrau Ann-Sophie Otte erklärt: „Um auch auf unerwartete Corona-Entwicklungen vorbereitet zu sein und die Gesundheit aller Teilnehmer*innen sichern zu können, haben wir uns diesmal für eine Demo mit Autos und Motorrädern entschieden. Und wir freuen uns wahnsinnig, dass die Wiener LGBTIQ-Community diese Lösung so gut annimmt: Mit über 100 angemeldeten Gruppen und rund 200 Fahrzeugen wird die Community auch in Zeiten von Corona ein starkes Zeichen der Sichtbarkeit setzen.“
„Das ist ungeheuer wichtig“, ergänzt Moritz Yvon, Obmann der HOSI Wien: „Gerade in Zeiten der Unsicherheit ist der Zusammenhalt umso wichtiger. Man darf die Nachwirkungen der Quarantäne nicht unterschätzen, vor allem die psychischen Belastungen für jene LGBTIQ-Personen, die in Familien leben, in denen sie Intoleranz, Anfeindungen oder sogar Gewalt ausgesetzt sind. Deswegen war es uns ein Bedürfnis, diesmal eben in anderer Form für Buntheit zu sorgen und ihnen zu zeigen: Du bist nicht allein.“
Forderungen: Schutz vor Diskriminierung von intergeschlechtlichen Kindern und ein queeres Jugendzentrum in Wien
Konkrete Forderungen richtet die HOSI Wien dabei an die Politik, so Yvon: „Wir brauchen endlich einen vollen Schutz vor Diskriminierung, denn es ist absurd, dass zwar Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe verboten ist, aber nicht aufgrund der sexuellen Orientierung. Hier wird ausgerechnet beim Schutz vor Diskriminierung diskriminiert.“ Und Otte, die bisherige Jugendreferentin der HOSI Wien, bevor sie Anfang Mai Obfrau wurde, ergänzt: „Außerdem müssen medizinisch unnötige Operationen an intergeschlechtlichen Kindern – die also biologisch nicht eindeutig Buben oder Mädchen sind und bei denen diese Operationen oft lebenslange schwere Schäden hinterlassen – dringend verboten werden; hier handelt es sich de facto um legalisierte Genitalverstümmelung. Und drittens brauchen LGBTIQ-Jugendliche in Wien ein queeres Jugendzentrum, denn die bestehenden, oft ehrenamtlich getragenen Angebote stoßen an ihre Grenzen.“
„Wir haben uns heuer bewusst dazu entschieden, mit ‚back to the roots‘ hier bei unserer Pressekonferenz in dem Community-Lokal ‚Villa Vida‘ auch an die ‚Stonewall Riots‘ zu erinnern“, so Kacerovsky. „Vor 51 Jahren ereigneten sich die berühmten Aufstände, die in New York vor dem Community-Lokal ‚Stonewall Inn‘, bei dem sich LGBTIQ-Menschen, angeführt von schwarzen transgender Personen, gegen polizeiliche Willkür und Übergriffe wehrten. Und auch deswegen zeigen wir uns auch mit der Demonstration ‚Black Lives Matter‘ solidarisch.“
Ngosso von Black Lives Matter: „Pride und Black Lives Matter gehören zusammen“
Mireille Ngosso, Organisatorin der Demonstration Black Lives Matter, sagte dazu: „Die ersten Proteste gegen Gewalt und Diskriminierung von LGBTIQ-Menschen wurden in den USA maßgeblich von Schwarzen mitgetragen. Deshalb ist es klar, dass die Pride und Black Lives Matter zusammengehören. Unser gemeinsamer Nenner ist der Kampf für Gleichberechtigung und der Aufschrei gegen Diskriminierung, Ungerechtigkeiten und Gewalt. Diese Botschaft wollen wir auch in Wien vermitteln.“
Am 27. Juni 2020 sind alle dazu aufgerufen mehr als je zuvor ihre Fenster und Balkone mit der Regenbogenfahne zu schmücken, den Regenbogen-Corso vom Gehsteig aus anzufeuern, an diesem Tag in den Regenbogenfarben gekleidet in ihrem Alltag unterwegs zu sein und damit vereint mit der internationalen LGBTIQ-Community ein sichtbares Zeichen für die Menschenrechte von LGBTIQ-Menschen zu setzen.
Besonderer Dank gilt in diesem besonderen Jahr dem ehrenamtlichen Organisationsteam, den zahlreichen Freiwilligen sowie den diesjährigen Kooperationspartner*innen, ohne die das alles dieses Jahr nicht möglich gewesen wäre: Wiener Linien, Radio Energy, der Erste Group, dem AMS, Plakativ, Share Now, Habegger, QWIEN, Buchhandlung Löwenherz, dem Leopold Museum, dem Tiergarten Schönbrunn und dem Kino am Dach.