Ewa Ernst-Dziedzic soll also als stellvertretende Klubobfrau der Grünen im Nationalrat gehen. Laut aktueller Berichterstattung ist sie der ÖVP ein Dorn im Auge, weil sie sich immer wieder klar für die Aufnahme von Flüchtlingen positionierte. Dass die Grünen dem nachgeben und damit eine queere Politikerin und feste Verbündete unserer Community degradieren, bedauern wir sehr. Wir hatten vor allem im vergangenen Jahr immer wieder Meinungsverschiedenheiten, vor allem was die nicht vorhandene LGBTIQ-Politik der Bundesregierung betrifft, aber bei ihr war klar: Sie haut sich auch gegen Widerstände für uns rein.
Mit der Ankündigung des Wechsels im grünen Parlamentsklub neigen sich letztlich auch unsere Erwartungen hinsichtlich LGBTIQ-freundlicher Regierungspolitik dem Ende zu. Ulrike Lunacek wurde schon aus der Regierung gedrängt (und die Grünen haben dem nichts Nennenswertes entgegen gesetzt), und von Gesundheitsminister Rudolf Anschober haben wir offensichtlich wenig zu erwarten. Er hat trotz seines Versprechens kurz vor der Wien-Wahl noch immer nicht das diskriminierende Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben, aufgehoben. Er hat sich noch immer nicht darum gekümmert, Konversionstherapien bei Minderjährigen (sogenannte “Homo-Heilung”) zu verbieten (was das Parlament einstimmig gefordert hat), oder die Genitalverstümmelung bei intergeschlechtlichen Kindern.
Wir müssen als LGBTIQ-Community also offensichtlich wieder das tun, was wir seit Jahrzehnten immer gemacht haben: Nicht auf die Politik warten, sondern selbst handeln. Nehmen wir es in die Hand, sei das durch Sichtbarkeit im Alltag oder bei der kommenden @Vienna Pride 2021. Gestalten wir selbst die Welt, in der wir leben wollen, trotz Corona – die Politik folgt uns dann schon, irgendwann…