Die HOSI Wien kämpft für die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften
Eine kurze Chronik der Aktivitäten und Ereignisse seit 1988
1988
Die Forderung nach der „Homo-Ehe“ wird in Österreich erstmals am 22. Februar 1988 erhoben, nämlich auf der 9. ordentlichen Generalversammlung der HOSI Wien. Der Verein nutzt seine jährliche Generalversammlung fast immer auch dazu, eine Resolution zu aktuellen Themen zu verabschieden. 1988 wendet sich die HOSI Wien darin vehement gegen die Pläne der ÖVP in der damaligen großen Koalition, Ehe und Familie in der Verfassung zu verankern. Dies kann schließlich verhindert werden. Zugleich fordert die HOSI Wien – erstmals in der Geschichte der österreichischen Lesben- und Schwulenbewegung – „schwule und lesbische Lebensgemeinschaften rechtlich besser abzusichern und den heterosexuellen Lebensgemeinschaften bzw. der Ehe auch in Österreich gleichzustellen“.
Hintergrund für die Resolution der HOSI Wien, die ihren Blick traditionell immer nach Skandinavien richtet, ist, dass Schweden am 1. Jänner 1988 als erstes Land der Welt gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit verschiedengeschlechtlichen rechtlich gleichgestellt hatte und in Dänemark das Parlament einen Gesetzesentwurf zur Einführung der Eingetragenen Partnerschaft diskutiert, der dann ein Jahr später – ebenfalls eine Weltpremiere – verabschiedet werden solllte.
1989
Aus Anlass ihres 10-jährigen Bestehens verabschiedet die HOSI Wien im Frühjahr 1989 ein umfassendes Forderungsprogramm, in das ebenfalls die Forderung nach rechtlicher Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und ihre gesetzliche Gleichstellung mit verschiedengeschlechtlichen aufgenommen wird.
Im Juni verabschiedet das dänische Folketing das Gesetz über die Eingetragene PartnerInnenschaft. Die Diskussion beginnt auch in Österreich. HOSI-Wien-Aktivist Michael Handl († 1992) wird zu einer Club 2-Diskussion am 22. Juni zum Thema eingeladen.
Zur Warmen Woche aus Anlass des Christopher Street Day veranstaltet die HOSI Wien unter dem Motto „Was die DänInnen haben, wollen wir auch“ einen Hochzeitsumzug durch die Wiener Innenstadt mit abschließender Trauung eines Lesben- und eines Schwulenpaares am Graben. Dies ist die weltweit erste „Aktion Standesamt“.
Während Vertreter anderer Lesben- und Schwulenvereine noch in den 90er Jahren in TV-Interviews die Ansicht vertreten, solange die §§ 209, 220 und 221 StGB noch bestehen, habe es keinen Sinn, die Forderung nach rechtlicher Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften zu stellen – diese sei „utopisch“ –, trifft die HOSI Wien schon damals die Entscheidung, sowohl die Forderung nach Aufhebung dieser Paragraphen als auch nach Anerkennung der PartnerInnenschaften sowie zusätzlich jene nach einem umfassenden Antidiskriminierungsgesetz parallel zu verfolgen. Die Geschichte gibt uns recht: Die §§ 220 und 221 werden erst 1996 aufgehoben, § 209 besteht bis 2002, aber die HOSI Wien nutzt diese Zeit – immerhin über ein Jahrzehnt – dazu, parallel zum Kampf gegen die strafrechtlichen Sondergesetze gegen Lesben und Schwule auch die Diskussion über und damit die öffentliche Akzeptanz für die rechtliche Anerkennung von PartnerInnenschaften voranzutreiben.
Seit 1990 steht daher diese Forderung auch stets auf der Tagesordnung der Gespräche von HOSI-Wien-VertreterInnen mit PolitikerInnen. Hier die Liste:
ÖVP-Klubobmann Heinrich Neisser (20. 3. 91)
Sektionschef Roland Miklau und Ministerialrat Harald Tiegs im Justizministerium (24. 5. 91)
ÖVP-Familienministerin Ruth Feldgrill-Zankel (10. 10. 91)
ÖVP-Generalsekretärin Ingrid Korosec (23. 10. 91)
SPÖ-Justizsprecherin Elisabeth Hlavač (5. 11. 91)
Bundeskanzler Franz Vranitzky (23. 9. 92)
SPÖ-Klubobmann Willi Fuhrmann (22. 3. 93)
Leiter der Abteilung für Familienrecht im Justizministerium, Michael Stormann (6. 4. 93)
LiF-Vorsitzende Heide Schmidt (24. 8. 93)
SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka (12. 12. 94)
ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat (17. 5. 95)
Nationalratspräsident Heinz Fischer (9. 10. 95)
Frauenministerin Barbara Prammer (19. 2. 97)
Wiener Stadträtin Renate Brauner (17. 3. 97)
Justizminister Nikolaus Michalek (18. 3. 97)
Sozialministerin Lore Hostasch (3. 4. 97)
Innenminister Karl Schlögl (28. 10. 97)
Wiener Vizebürgermeisterin Grete Laska (27. 10. 98)
SP-Bundesgeschäftsführer Andreas Rudas (29. 6. 99)
ÖAAB-Obmann und Verteidigungsminister Werner Fasslabend (22. 12. 99)
SPÖ-Bundesparteivorsitzender Alfred Gusenbauer (21. 12. 00)
Winfried Pinggera, Mitarbeiter Bundeskanzler Wolfgang Schüssels (24. 1. 01)
ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter (13. 2. 01)
Justizministerin Karin Miklautsch (12. 8. 04)
Wiener Stadträtin Sonja Wehsely (4. 10. 04)
Bundespräsident Heinz Fischer (15. 2. 05)
ÖVP-Bundesminister Josef Pröll (27. 2. 07)
ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon (27. 2. 07)
SPÖ-Justizministerin Maria Berger (6. 3. 07)
ÖVP-Landesrätin Johanna Mikl-Leitner (NÖ), Leiterin der Impulsgruppe „Familie und Kinder“ innerhalb der ÖVP-internen „Perspektivengruppe“ (14. 3. 07)
SPÖ-Nationalratsabgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (22. 3. 07)
SPÖ-Stadträtin Sandra Frauenberger (Wien) für Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal (18. 4. 07)
SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied (30. 4. 07)
ÖVP-Staatssekretärin Christine Marek (2. 5. 07)
ÖVP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (24. 5. 07)
ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer (3. 10. 07)
SPÖ-Klubvorsitzender Josef Cap (13. 11. 07)
SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (8. 1. 09)
SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger (3. 2. 09)
ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger (5. 2. 09)
SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer (6. 3. 09)
ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf (25. 3. 09)
ÖVP-Innenministerin Maria Fekter (30. 4. 09)
SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (21. 8. 09)
ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf (26. 11. 09)
Überdies gibt es in all den Jahren zahlreiche Gespräche mit Nationalratsabgeordneten aller Parteien.
Zudem hat die HOSI Wien seit 1989 umfangreichen Schriftverkehr mit den zuständigen MinisterInnen der verschiedenen Regierungen über dieses Thema geführt – kurz nach der Einführung der EP in Dänemark etwa mit den Innen-, Justiz-, Sozial- und Finanzministern über die rechtlichen Auswirkungen für ÖsterreicherInnen, die in Dänemark eine solche Eingetragene PartnerInnenschaft eingehen und sich später womöglich mit ihren dänischen PartnerInnen in Österreich niederlassen möchten.
1992
Hella von Sinnen und Cornelia Scheel lösen durch die öffentliche Bekanntgabe ihrer Homosexualität und ihrer Partnerinnenschaft großes Medieninteresse aus, auch in Österreich.
Die HOSI Wien springt auf das Thema auf. Der Standard bringt die Forderung am 10. September auf seiner Titelseite. SPÖ-Justizsprecherin Elisabeth Hlavač unterstützt unsere Forderung. Die massenmediale Diskussion dauert einige Zeit an.
Die HOSI Wien widmet den Schwerpunkt ihrer Zeitschrift LAMBDA-Nachrichten (LN) in den Ausgaben 4/92 (Oktober) und 1/93 (Jänner) dem Thema „Lesben- und Schwulenehe“ – insgesamt 44 Seiten.
In der Nummer 4/92 kommen auch von den LN befragte PolitikerInnen und Prominente zu Wort, u. a. Bundespräsident Thomas Klestil, die ÖVP-Abgeordneten Ingrid Korosec und Michael Graff, ÖVP-Familienministerin Ruth Feldgrill-Zankl, SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer, Heide Schmidt, Grün-Abgeordnete Madeleine Petrovic, der Wiener Grünen-Klubobmann Peter Pilz sowie Ernest Borneman, Chris Lohner, Stefanie Werger, Alfons Haider, Rotraud Perner, Gerti Senger und Mercedes Echerer. Profil vom 5. 10. bringt die Wortspenden auszugsweise im Vorabdruck.
Seit damals berichten die LAMBDA-Nachrichten regelmäßig über das Thema, insbesondere über die Entwicklungen im Ausland, seit der Ausgabe 4/96 in einer eigenen Rubrik „Heiratssachen“.
SPÖ-Gesundheitsminister Michael Ausserwinkler ist mit seiner Stellungnahme für die LN 4/92 zu spät dran. Daraufhin wird sie in der WirtschaftsWoche vom 5. November 1992 veröffentlicht. Ausserwinkler spricht sich als erstes Regierungsmitglied eindeutig und klar sogar dafür aus, dass gleichgeschlechtliche Paare standesamtlich heiraten können.
Ausserwinklers Vorstoß löst eine veritable Medienlawine aus, die sogar ins Ausland überschwappt. Die HOSI-Wien-Forderung wird auch in ausländischen Medien aufgegriffen. Zahlreiche PolitikerInnen reagieren auf Ausserwinklers Aussage, die Debatte dauert etliche Wochen an. Im November 1992 wird Maria Rauch-Kallat als neue Familienministerin designiert. Auch sie spricht sich – damals – für die Eingetragene PartnerInnenschaft aus – sie würde gegen ein entsprechendes Vorhaben des Justizministers kein Veto einlegen. Leider sollte sie ihre Meinung später dem konservativen ÖVP-Mainstream Andreas Khols und Wolfgang Schüssels opfern. Justizminister Nikolaus Michalek spricht sich ebenfalls für eine rechtliche Besserstellung, jedoch gegen die Ehe aus und erklärt sich gesprächsbereit. Eine Initiative sollte er jedoch während seiner gesamten Amtszeit (immerhin bis 1999) nicht setzen.
1993
Die massenmediale Diskussion geht weiter. Das Liberale Forum hat sich von der FPÖ abgespalten. Heide Schmidt tritt für die Homo-Ehe ein (profil vom 15. 2.). Wie Schmidt später des öfteren öffentlich erklärt, ist sie für diese Frage durch zwei Gespräche mit VertreterInnen der HOSI Wien sensibilisiert worden, und zwar am 21. 9. 88 (damals war sie FPÖ-Bundesrätin und gerade designierte FPÖ-Generalsekretärin) und am 10. 12. 90 (damals war sie Dritte Nationalratspräsidentin) – davor habe sie sich für die Anliegen von Lesben und Schwule nicht sonderlich interessiert und sei diesen auch nicht besonders aufgeschlossen gegenübergestanden.
Die HOSI Wien schreibt an alle Justizsprecherinnen und Klubobleute der fünf Parlamentsparteien sowie an einige Minister. ÖVP-Bundesparteiobmann Erhard Busek antwortet ebenso negativ wie FPÖ-Klubobmann Jörg Haider und Sozialminister Josef Hesoun ausweichend.
Das Eintreten Ausserwinklers und Schmidts für die Lesben- und Schwulenehe brennt sich tief in die Hirne österreichischer JournalistInnen ein. In den folgenden Jahren wird es kaum ein Porträt oder einen Kommentar über diese beiden PolitikerInnen geben, ohne dass dieses Eintreten nicht erwähnt wird.
Auf ihrer Jahres-Generalversammlung verabschiedet die HOSI Wien am 14. 3. eine Resolution an die Bundesregierung und das Parlament, in der die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften gefordert wird. Es entwickelt sich wieder reger Briefwechsel, u. a. mit Bundeskanzler Franz Vranitzky, der nicht gerade euphorisch reagiert.
Am 15. 3. veröffentlicht der Standard einen „Kommentar der anderen“ von HOSI-Wien-Aktivist Kurt Krickler zum Thema „Eingetragene PartnerInnenschaft“.
Im Juni verabschiedet der 33. Ordentliche Bundesparteitag der SPÖ erstmals Anträge betreffend die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften.
Im Sommer landet Hella von Sinnens und Cornelia Scheels Klage gegen das Eheverbot vor dem deutschen Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe. Wieder beschäftigen sich die Medien mit dem Thema.
Am 6. November präsentiert das junge Liberale Forum den Entwurf für ein Parteiprogramm. Er enthält die Forderung nach Anerkennung homosexueller PartnerInnenschaften mit gleichen Rechten wie für die Ehe. Das Interesse der Massenmedien ist neuerlich geweckt und bleibt Dauerbrenner. Das LiF und die Lesben- und Schwulenehe sind ab nun in der öffentlichen Wahrnehmung untrennbar miteinander verbunden.
1994
Auf der 14. ordentlichen Generalversammlung der HOSI Wien am 14. März 1993 ist die Forderung nach rechtlicher Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wieder Gegenstand der verabschiedeten Resolution, allerdings wird die Forderung damals präzisiert und ist bis heute in dieser Konkretisierung unsere Arbeitsgrundlage: Die HOSI Wien fordert schon damals bewusst keine Öffnung der Ehe, sondern „die Einführung eines neuen Rechtsinstituts: Nach dänischem Modell soll die ‚standesamtlich eingetragene Partnerschaft‘ geschaffen werden, die homosexuellen Paaren dieselben Rechte und Pflichten gewährt wie die Ehe den Ehegatten.“
Die HOSI Wien plant eine Aktion Standesamt im Wiener Rathaus und ruft Paare auf, sich dafür zu melden. Der Aufruf wird am 1. 8. auch von profil veröffentlicht, worauf sich mehr JournalistInnen als aktionswütige Paare melden. Die Medien widmen sich wieder verstärkt dem Thema.
Am 16. November ist es dann soweit. Helga Widtmann und Kurt Krickler haben sich für eine Trauung im Rathaus angemeldet. Dort tauchen sie allerdings mit ihren jeweiligen LebensgefährtInnen, Beate Soltész und Peter Scheucher († 1996), auf und begehren vom Standesbeamten, mit diesen getraut zu werden. Dieser weigert sich, worauf die Brautpaare jedoch vorbereitet sind. Schauspielerin Mercedes Echerer springt ein und nimmt die Trauungen vor den Festgästen und MedienvertreterInnen vor. Danach gibt‘s eine Pressekonferenz mit VertreterInnen des LiF (NR-Abgeordneter Volker Kier), der Grünen (Justizsprecherin Terezija Stoisits) und Karl Delfs (Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreichs) sowie eine Hochzeitstafel. Am Abend strahlt das ZiB-Abendstudio einen Bericht von der Aktion und der Pressekonferenz aus. Die Aktion löst sowohl politisches wie breites massenmediales Echo aus, auch im Ausland. Von Lettland bis Spanien (El País) werden die Hochzeitsfotos veröffentlicht.
Am 12. Dezember präsentiert Zweiter Nationalratspräsident Heinrich Neisser das von ihm in der Schriftenreihe FOCUS des ÖVP-Parlamentsklubs herausgegebene Buch „Gleichgeschlechtliche ‚Ehe‘“. Es erweist sich als Ablenkungsmanöver. Die HOSI Wien kritisiert die ÖVP-Vorschläge als inakzeptabel: Die ÖVP sieht nicht nur die Aufrechterhaltung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare, sondern auch eine Absage an das skandinavische Modell vor. Die angebotene Alternative ist mehr als dürftig: Abschluss eines bloß privaten Vertrags bei einem Notar, was ohnehin auch heute bereits möglich ist, und Änderungen in einigen nebensächlichen bzw. für die Mehrzahl der Betroffenen eher unbedeutenden Gesetzen.
1996
Den nächsten massenmedialen Super-Hype gibt es im Sommer 1996. Am 31. August findet in einer evangelischen Kirche in Wien die erste offizielle Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares – von HOSI-Wien-Mitglied Irene und ihrer Lebensgefährtin Jutta – statt. Das Medienecho übertrifft alles bisher Dagewesene. In einer Woche ist das Thema dreimal auf der Titelseite der Neuen Kronenzeitung („Heiratswelle von Homos erwartet“ am 2. 9., „Homo-Wirbel auch bei Katholiken“ am 3. 9. und „Homos entzweien die Koalition“ am 6. 9.)
Am 4. September nimmt HOSI-Wien-Obfrau Waltraud Riegler an einer Pressekonferenz zur Forderungen der Lesben- und Schwulenbewegung hinsichtlich der Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften teil.
Am 6. 9. wendet sich ÖVP-Klubobmann Andreas Khol im ZiB-Abendstudio vehement gegen diese Forderung.
In weiterer Folge spielt sich die Diskussion immer nach demselben Muster ab: Jeder Vorstoß von Seiten der SPÖ, der Grünen oder des LiF wird von der ÖVP zurückgewiesen und abgeblockt.
1997
Bei der Regenbogen-Parade am 28. Juni steht der Beitrag der HOSI Wien ganz unter dem Motto „Wir wollen heiraten“ (siehe Medienaussendung vom 27. 6. 97). Der gemietete Sattelschlepper ist als Hochzeitstafel geschmückt, seitliche Transparente verkünden die prägnante Forderung, der durch die passende Musik (Hochzeitsmärsche und -lieder) lautstark Nachdruck verliehen wird.
Im Juli macht Justizminister Michalek einen neuen Vorstoß in Sachen Abbau der Diskriminierung Homosexueller, insbesondere für die Streichung des § 209 StGB und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher LebensgefährtInnen im Mietrecht. ÖVP-Abgeordnete Maria Fekter spricht sich vehement dagegen aus.
1998
Das Österreichische Lesben- und Schwulenforum (ÖLSF) übergibt Nationalratspräsident Heinz Fischer rund 4000 Unterschriften, die es unter seine „3 Forderungen zur rechtlichen Verankerung von PartnerInnenschaften“ gesammelt hat. Diese werden an den Petitionsausschuss des Parlaments weitergeleitet. Da die HOSI Wien diese Forderungen nicht unterstützen kann, übermittelt sie im August allen Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des Petitionsausschusses sowie jenen Abgeordneten, die die drei ÖLSF-Forderungen unterzeichnet haben, ein Schreiben, in dem sie ihren Standpunkt erläutert und mit einer ausführlichen Dokumentation begründet.
Im Dezember bringt das LiF im Zuge der Novellierung des Mietrechts den Antrag auf Gleichstellung gleichgeschlechtlicher LebensgefährtInnen beim Eintrittsrecht im Todesfall ein. Der Antrag scheitert an der ÖVP-FPÖ-Mehrheit im Parlament.
1999
Am 18. Juni veranstaltet der grüne Rathausklub eine Podiumsdiskussion zum Thema Tu, felix Austria, nube? im Wiener Rathaus, an der auch Kurt Krickler von der HOSI Wien teilnimmt.
Auch in Wahlkämpfen, speziell für den Nationalrat, spielt das Thema inzwischen eine Rolle. Mittlerweile sind auch die Grünen (ebenso wie die SPÖ) dem LiF-Beispiel gefolgt und bekennen sich in ihrem Parteiprogramm zur rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften.
Im August eröffnet Frauenministerin Prammer diesbezüglich den Wahlkampf und holt sich prompt eine harsche Abfuhr von ÖVP-Familienminister Martin Bartenstein und ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat, die 1993 die Forderung noch wohlwollend tolerieren wollte (siehe oben). Die HOSI Wien meldet sich einmal mehr in einer – weiß Göttin wievielten – Medienaussendung zu Wort. Selbst Bundeskanzler Viktor Klima tritt beim Fest der SoHo (Sozialismus und Homosexualität) auf. Die ZiB 3 bringt am 15. September einen Bericht darüber und lädt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl zu einer Studiodiskussion mit Volker Kier und der FPÖ-Abgeordneten Brigitte Povysil ein.
2000
Im Oktober einigen sich mehrere Lesben- und Schwulenvereine, darunter die HOSI Wien, auf einen gemeinsamen Text für eine Petition an den Nationalrat. Die Initiative „Gleich viel Recht für gleich viel Liebe“ wird am 17. November auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien der Öffentlichkeit vorgestellt (vgl. Aussendung hier). Seit einigen Jahren beschäftigen sich die Medien auch immer wieder mit dem Thema, wenn andere Länder gerade wieder einschlägige Bestimmungen verabschieden oder solche in Kraft treten, etwa über den Beschluss des deutschen Bundestags im November. Die HOSI Wien begleitet diese Anlässe regelmäßig mit Presseaussendungen und wird auch von den Medien zu Stellungnahmen eingeladen. Kurt Krickler ist am 14. 11. Gast in der ATV-Sendung Headline-Talk.
2001
Am 1. April 2001 finden in Amsterdam die weltweit ersten standesamtlichen Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare statt. Auch für die österreichischen Medien Anlass für Berichte, sogar in der ZiB 1. Kurt Krickler wird für das FM4-Mittagsjournal am 2. 4. und für einen ZiB 2-Beitrag am 6. 4. interviewt.
Am 18. Mai wird Nationalratspräsident Heinz Fischer die „Gleich viel Recht für gleich viel Liebe“-Petition im Parlament übergeben. Ungefähr 2500 Unterschriften, weit mehr als die erforderlichen 500, sind gesammelt worden.
Am 1. August tritt in Deutschland das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft. Sommerlochbedingt stürzen sich die österreichischen Medien – wie schon im Sommer 1996 – wieder auf das Thema „Homo-Ehe“. Und es sollte nicht der letzte massenmediale Sommer-Hype zum Thema sein!
2002
Im Juni 2002 wird der letzte Sonderparagraph gegen Schwule im Strafrecht (höheres Mindestalter) vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Ein großer Erfolg für die HOSI Wien nach ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen § 209. Die HOSI Wien gibt ihren Bemühungen um Gleichstellung aber sofort einen neuen „Spin“ und nützt das Interesse der Medien – es herrscht wieder Saure-Gurken-Zeit –, um das nächste zu verwirklichende Projekt, eben die Einführung der Eingetragenen PartnerInnenschaft, zu promoten.
2003
Im Juli veröffentlicht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sein Urteil in einer von der HOSI Wien unterstützten Beschwerde gegen das österreichische Mietrecht (Karner gegen Österreich): Die homosexuellendiskriminierende Auslegung des Mietrechtsgesetzes stellt eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar. Seither müssen zumindest beim Eintrittsrecht gemäß § 14 Abs. 3 MRG gleich- und verschiedengeschlechtliche LebensgefährtInnen gleichbehandelt werden. Dieses Urteil ist nicht nur deshalb so denkwürdig und bahnbrechend, weil es die erste Entscheidung des EGMR in einem Fall gewesen ist, der die Gleichstellung homo- und heterosexueller Lebensgemeinschaften betrifft, sondern auch, weil sich aus der Urteilsbegründung des EGMR klar ableiten lässt, dass diese über den Anlassfall hinausgeht und für alle relevanten gesetzlichen Bestimmungen analog zutrifft, also gleich- und verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften in allen rechtlichen Aspekten gleich zu behandeln sind.
2004
Im Wahlkampf um die Bundespräsidentschaft wird die Haltung der beiden Spitzenkandidaten zur „Homo-Ehe“ zu einer wichtigen Frage. Im Interview für die LAMBDA-Nachrichten (# 2/04) bekannte sich der spätere Wahlgewinner Heinz Fischer zur Schaffung der Eingetragenen PartnerInnenschaft, während sich die unterlegene Kandidatin, Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, dagegen aussprach. Siehe dazu die Medienaussendungen der HOSI Wien vom 17. Jänner, 18. Jänner sowie 16. April 2004.
Am 1. Juli treten das neue Gleichbehandlungsgesetz und die Novelle zum Bundesgleichbehandlungsgesetz in Kraft, womit die beiden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien 43 und 78 aus 2000 in österreichisches Recht umgesetzt werden (mehr darüber hier). Damit wird eine Diskriminierung u. a. aufgrund der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt verboten. Gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen werden damit in allen Bereichen der Arbeitswelt mit verschiedengeschlechtlichen LebensgefährtInnen gleichgestellt. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang: Es wird dadurch sichergestellt, dass die Pflegefreistellung bzw. Familienhospizkarenz zur Pflege kranker bzw. sterbender Angehöriger auch für gleichgeschlechtliche LebensgefährtInnen in Anspruch genommen werden kann (§ 16 Urlaubsgesetz bzw. § 14a Abs. 1 AVRAG). Auch hierbei handelt es sich um einen tollen Erfolg aufgrund der jahrelangen Bemühungen der HOSI Wien, die hierfür wesentlich und federführend Lobbying in Österreich betrieben hat.
Nach der Forderung des steirischen ÖVP-Klubobmanns Christoph Drexler nach rechtlicher Anerkennung gleichgeschlechtlicher PartnerInnenschaften kommt es im August zu einem unglaublichen medialen und politischen Hype zum Thema „Homo-Ehe“, der sämtliche frühere Sommerloch-Debatten in den Schatten stellt. Auch die HOSI Wien beteiligt sich äußerst aktiv an der Diskussion. Die ÖVP setzt zwar eine parteiinterne Arbeitsgruppe ein, aber die Sache erhält dort – wie zu erwarten war – ein Begräbnis erster Klasse.
Siehe dazu folgende Medienaussendungen:
10. August 2004
12. August 2004
18. August 2004
23. August 2004
26. August 2004
10. September 2004
22. September 2004.
2005
Auch 2005 kommt es wieder zu einem Sommerloch-Hype in Sachen „Lesben- und Schwulenehe“. Die HOSI Wien findet diese Debatte aber angesichts der einbetonierten Haltung der ÖVP müßig und meldet sich daher auch nicht mehr so häufig zu Wort. Die Debatte geht weiter und endet genauso ergebnislos wie im Jahr 2004. Siehe dazu folgende Aussendungen der HOSI Wien im Jahr 2005:
7. Juli 2005
11. Juli 2005
22. August 2005
13. September 2005
10. November 2005
2. Dezember 2005 (Südafrika)
2. Dezember 2005
14. Dezember 2005
16. Dezember 2005 (Tschechien)
16. Dezember 2005
2006
Im Juli 2006 scheitern dann zum Ende der Legislaturperiode endgültig die Bemühungen Justizministerin Karin Gastingers, wenigstens die gleich- mit den verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften in allen Bereichen außer im Fortpflanzungsmedizingesetz gleichzustellen, am Widerstand der ÖVP. Siehe dazu Aussendung vom 14. Juni 2006.
2007
Nach dem Ende der schwarz-blau-orangenen Regierungen im Jahr 2007 kommt allerdings verstärkt wieder Bewegung in die Sache. Nach den sieben „dunklen Jahren“ der beiden Regierungen Wolfgang Schüssels, in denen uns nur ein einziges Mal ein Regierungsmitglied, nämlich Justizministerin Karin Miklautsch, einen Gesprächstermin eingeräumt hat, können wir ab Jänner 2007 unter der neuen SPÖ-ÖVP-Koalitionsregierung (Kabinett Alfred Gusenbauer) wieder an die Lobbyingtradition von vor 2000 anknüpfen, und es kommt zu einer Reihe von Gesprächsterminen mit Regierungsmitgliedern (eine Liste der GesprächspartnerInnen findet sich im Kasten oben).
Am 29. März wird Österreichs LSBT-Community, darunter die HOSI Wien, zu einer Besprechung mit hochrangigen Beamten zum Thema „Gesetzliche Regelungen für homosexuelle Paare“ ins Justizministerium geladen. Eine von Justiz- und Familienministerium gemeinsam eingesetzte Arbeitsgruppe „Gleichgeschlechtliche Partnerschaft”, in der ebenfalls die LSBT-Bewegung prominent vertreten ist, nimmt am 24. Juli ihre Arbeit auf. Weitere Treffen finden am 20. September, 24. Oktober, 13. November und 4. Dezember statt.
Siehe weiters auch:
Aussendung vom 24. Februar 2007
Aussendung vom 2. März 2007
Aussendung vom 5. April 2007
Aussendung vom 9. August 2007
Am 1. Oktober 2007 präsentiert Josef Pröll, Leiter der ÖVP-Perspektivengruppe, deren Ergebnisse, darunter den Vorschlag zu einer EP nach Schweizer Modell – vergleiche unsere Aussendung vom 1. Oktober 2007. Doch die Ernüchterung folgt auf dem Fuß: Als bei der vorhin erwähnten Sitzung der Arbeitsgruppe am 24. Oktober 2007 das Justizministerium einen ersten Entwurf vorlegt (vgl. Aussendung vom 26. 10. 07), spricht sich die ÖVP gegen eine Schließung der EP am Standesamt aus (vgl. Aussendung vom 20. November 2007). In der Folge kommt es zu widersprüchlichen Wortmeldungen aus der ÖVP (vgl. Aussendung vom 2. Jänner 2008).
2008
Am 22. Jänner und 13. März trifft sich zum letzten Mal die von Justiz- und Familienministerium gemeinsam eingesetzte Arbeitsgruppe „Gleichgeschlechtliche Partnerschaft“. Die 29. HOSI-Wien-Generalversammlung am 15. März 2008 nimmt dies zum Anlass, in einer Resolution an die beiden Regierungsparteien diese aufzufordern, die Eingetragene Partnerschaft nunmehr zügig umzusetzen. Das Justizministerium legt am 24. April seinen Entwurf für „Lebenspartnerschaftsgesetz“ vor. Im Juni endet die Begutachtungsfrist, weshalb die HOSI Wien am 12. Juni 2008 aus diesem Grund eine Pressekonferenz abhält, bei der sie abermals an die ÖVP appelliert, das von ihr favorisierte Schweizer Modell jetzt zügig umzusetzen.
Zu einer parlamentarischen Behandlung der Gesetzesvorlage kommt es jedoch nicht mehr, denn am 7. Juli kündigt ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer die Regierungszusammenarbeit auf. Am 28. September 2008 finden Nationalratswahlen statt. Die SPÖ bleibt stärkste Partei, Alfred Gusenbauer wird durch Werner Faymann als Kanzler abgelöst. Josef Pröll wird Vizekanzler. Die neue Regierung wird am 2. Dezember angelobt. Der SPÖ gelingt es, das Projekt „Eingetragene Partnerschaft“ zum ersten Mal in ein Koalitionsübereinkommen mit der ÖVP hineinzureklamieren und damit die Grundlage für die spätere Verwirklichung des EP-Gesetzes zu schaffen.
2009
Die HOSI Wien nimmt in der neuen Legislaturperiode ihre Gespräche mit PolitikerInnen sofort wieder auf (siehe Kasten oben). Am 9. Juni empfängt Justizministerin Claudia Bandion-Ortner VertreterInnen der LSBT-Bewegung Österreichs, darunter der HOSI Wien, zu einem Gespräch über das geplante Lebenspartnerschaftsgesetz. Über die letzten Phasen der Verabschiedung des EP-Gesetzes im November und Dezember 2009 siehe folgende Aussendungen bzw. Beiträge:
31. Oktober 2009
3. November 2009
5. November 2009
6. November 2009 (1. Aussendung)
6. November 2009 (2. Aussendung)
12. November 2009
13. November 2009
14. November 2009
17. November 2009
5. Dezember 2009
Am 10. Dezember 2009 wird schließlich das EP-Gesetz vom Nationalrat beschlossen. Siehe Aussendung.
Resümee:
Durch ihre bereits 1988 getroffene Entscheidung, ab sofort auch kontinuierlich für die rechtliche Anerkennung der PartnerInnenschaft von Lesben und Schwulen zu fordern, hat die HOSI Wien schon früh den Grundstein für den 21 Jahre später eingetretenen Erfolg gelegt.
Nicht zuletzt auch durch die zwei spektakulären Aktionen 1989 und 1994 ist es der HOSI Wien gelungen, die Lesben- und Schwulenehe bereits zu einem Zeitpunkt zu einer Frage im politischen Diskurs zu machen, als alle anderen Lesben- und Schwulengruppen in Österreich diese Frage noch nicht politisch bearbeitet haben.
Die HOSI Wien hat in all den Jahren seit 1988 durch ihre kontinuierliche und konsequente Thematisierung dieser Forderung gegenüber der Politik, den Medien und der Öffentlichkeit (wie oben kurz chronologisch geschildert) wohl bei weitem die Hauptarbeit dazu geleistet, dass dieses Anliegen in den Medien, in Teilen der Politik und in der Öffentlichkeit nicht nur ernst genommen, sondern auch unterstützt wird. Es ist in erster Linie auf diese Thematisierung und das Lobbying durch die HOSI Wien zurückzuführen, dass alsbald drei politische Parteien diese Forderung der HOSI Wien in ihr Parteiprogramm aufgenommen haben. PolitikerInnen haben seit Jahren z. B. auch die jährliche Regenbogenparade zum Anlass genommen, sich hinter diese Forderung zu stellen.
Durch die regelmäßigen Berichte in den LAMBDA-Nachrichten ist auch eine einzigartige und umfangreiche Chronik und Darstellung der Entwicklungen in dieser Frage entstanden, in der die allermeisten Stellungnahmen von PolitikerInnen, Medienberichte, politischen Initiativen und Debatten dokumentiert sind. Außerdem verfügt die HOSI Wien durch ihre regelmäßigen und sorgfältig recherchierten Berichte in den LN über sehr detaillierte und umfassende Unterlagen zu den Entwicklungen in diesem Bereich im europäischen Ausland.