„Wir begrüßen es sehr, dass zumindest der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Lichte der bahnbrechenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Juli 2003 in der von der HOSI Wien mitbetreuten Beschwerde Karner gegen Österreich jetzt bereit zu sein scheint, seine frühere bedenkliche Entscheidung zu korrigieren“, kommentiert Bettina Nemeth, Obfrau der HOSI Wien, die diesbezügliche Ankündigung von VfGH-Präsident Karl Korinek am vergangenen Freitag.
„1998 hatte der VfGH bekanntlich in der Beschränkung der – damals noch kostenlosen, dank Schwarz-Blau bei Nichtvorhandensein von Kindern jetzt nur mehr begünstigten – Mitversicherungsmöglichkeit in der gesetzlichen Sozialversicherung auf andersgeschlechtliche LebensgefährtInnen noch keine Verfassungswidrigkeit erkennen wollen und den Fall an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.“ Dieser wies die Beschwerde dann im Oktober 2001 (Zl. 98/08/0218) mit hanebüchenen und willkürlichen Argumenten der Sonderklasse ab: Wenn eine Frau und ein Mann zusammenleben, handle es sich in der Regel um eine Lebensgemeinschaft – „während im Falle des Zusammenlebens gleichgeschlechtlicher Personen auch dann, wenn eine Person den Haushalt führt, in tatsächlicher Hinsicht noch nicht ohne weiteres von einer (diesfalls homosexuellen) Lebensgemeinschaft ausgegangen werden kann“.
„Dieser von der HOSI Wien unterstützte Fall“, so Nemeth weiter, „ist übrigens seit 2002 beim EGMR in Straßburg anhängig. Angesichts des Urteils in Karner gegen Österreich ist davon auszugehen, dass der EGMR die Republik Österreich wegen der diskriminierenden Sozialversicherungsgesetze neuerlich verurteilen wird. Der VfGH täte also gut daran, dieser Verurteilung zuvorzukommen.“
Bundesregierung verletzt bewusst Menschenrechte von Lesben und Schwulen
„Die HOSI Wien“, ergänzt Obmann Christian Högl, „hat damals im Juli 2003 sofort auf die grundlegende, über den Anlassfall im Mietrecht hinausreichende Bedeutung des Karner-Urteils hingewiesen: Jegliche rechtliche Ungleichbehandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist ebenfalls menschenrechtswidrig und daher zu beseitigen. Die schwarz-blaue Regierung hat dies bis heute ignoriert und ist untätig geblieben. Allerdings will uns die ÖVP seit einem Jahr die Gleichstellung von Lebensgemeinschaften als ihre Variante der eingetragenen PartnerInnenschaft und als große Errungenschaft verkaufen, wobei es bisher ohnehin bei einer bloßen Ankündigung geblieben ist. Nur: Diese Mogelpackung werden wir ihr nicht abnehmen – zur Gleichstellung der Lebensgemeinschaften ist sie nach dem denkwürdigen Karner-Urteil Straßburgs ohnehin verpflichtet. Wir fordern darüber hinaus die volle rechtliche Gleichstellung mit der Ehe.“
Hinweis: Bitte, den EGMR nicht mit dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg zu verwechseln!